Retro-Review: Die Klassenstory des Jedi-Ritters

Vorwort

Zum Abschluss noch das beste, zumindest auf republikanischer Seite. Die meistgespielte Klasse (über 9 Millionen erstellte Charaktere) wird zugleich auch immer wieder gerne als beste Klassenstory genannt, obwohl sie ebenfalls aus der Feder Hall Hoods stammt, dessen Schmuggler in den gleichen Umfragen einen der untersten Plätze belegen dürfte. Wie ich in meiner Review zum Schmuggler festgestellt habe lässt sich Hoods Stil in beiden Klassenstorys ausmachen und rein technisch finde ich die Schmuggler-Story sogar ausgereifter und cleverer. Der Ritter ist hingegen einfacher und setzt mehr auf epische Szenarien, in welchen man dank Lichtschwert und Macht auch für den oberflächlichsten Star Wars-Fan als echte Star Wars-Klasse erkennbar ist.

Berichten aus dem Vorfeld der Veröffentlichung von SWTOR zufolge war auch Drew Karpyshyn an der Klassenstory des Jedi-Ritters beteiligt. Was nicht so verwunderlich ist, zumal der Sith-Imperator und Lord Scourge Charaktere sind die Karpyshyn in seinem SWTOR-Begleitroman REVAN erstmals einführte. Karpyshyns Einfluss dürfte sich also weniger auf die tatsächliche Klassenstory ausgewirkt haben, als bestimmte Charaktere in dieser. Aus diesem Grund und wegen der gewissen Ähnlichkeiten zum Schmuggler sehe ich Hall Hood als den wahren Autor des Jedi-Ritters an. Hoods Klassenstorys (er führte das Autorenteam auch einige Zeit als republikanischer Lead Writer an) unterscheiden sich auf Seiten der Republik aber von der Norm. Als zeitweiliger Vorgesetzter Jo Berrys und Charles Boyds könnte sich Hood einige Freiheiten erlaubt haben, die im Widerspruch zu einer etwa 2010 veröffentlichten Designphilosophie für die republikanischen Klassen stehen. In diesem Video äußerte sich eine illustre Gruppe von Autoren und Entwicklern dazu, dass man (man bediente sich eines Weltkriegsvergleichs) auch als Alliierter foltern oder ein guter Mensch unter Faschisten sein könne, trotzdem bleibt man seiner Fraktion treu. Der Ritter und Schmuggler tendierten allerdings dazu ihre Fraktionsgrenzen zu sprengen. Soldaten-Autor Boyd und Botschafter-Autorin Berry hielten sich hingegen brav an die Doktrin und beließen es dabei, dass dunkle Soldaten und Botschafter nur Hardliner und Fanatiker, aber keine Verräter sind.

"It's basically KotOR III" lautet das Hauptargument der Fans des Jedi-Ritters, die ihre Klassenstory als zentrale Story von The Old Republic darstellen. Der Ritter und der Krieger sind für sie zwei Seiten einer Medaille, aber als Fan des Kriegers kann ich das nicht bestätigen. Der eine arbeitet für den Imperator, der andere gegen ihn, da enden die Ähnlichkeiten aber auch schon. Der Krieger trifft den Imperator kein einziges Mal, er begegnet nur seinen Agenten und einer Stimme, die im Körper eines Voss Mystikers gefangen ist. Der Jedi-Ritter steht in Akt II hingegen einer maskierten Figur gegenüber, die durchaus der wahre Körper des Imperators gewesen sein könnte. Die Beziehung des Kriegers zum Imperator ist weit unpersönlicher, als die des Ritters. Generell hat der Krieger keinen nachweisbaren Bezug zu KotOR, während dieser beim Ritter durch Lord Scourge verkörpert wird. Scourge ist der Grund, warum der Ritter sich mit dem KotOR III-Vergleich schmücken darf, wobei man dafür aber REVAN gelesen haben muss. Pflichtlektüre ist halt nicht jedermanns Sache. Lord Scourge - Revans Kerkermeister, der später die Seiten wechselte, nur um Revan und der Verbannten am Ende doch noch einmal in den Rücken zu fallen. Nachdem Shadow of Revan allerdings Revans Machtgeist ins Spiel gebracht hat ist Scourge als KotOR-Connection weit weniger wichtig, denn wenn man will kann man ja Revan selbst auftreten lassen.

Wirklich spannend wird die Klassenstory des Ritters erst im zweiten Akt, wenn es dem Imperator an den Kragen geht. Doch Akt I ist deutlich länger und in früheren Zeiten, als Leveln noch nicht so stark vereinfacht war, mühte man sich auch einige Abende ab, vom zähen zum spannenderen Teil zu gelangen. Ist die Struktur ist in Akt I wirklich einfach. Reise von Planet zu Planet und töte den jeweiligen Schüler Darth Angrals, bis man vor Angral selbst steht.

Für mich persönlich gehört der Schmuggler zu einer der besten Klassenstorys und doch habe ich gerade die beiden Hall Hood-Klassenstorys am wenigsten gespielt. Ich besitze jede Klasse mindestens dreifach, nur Schmuggler und Jedi-Ritter lediglich doppelt. Ritter und Schmuggler waren für mich auch die letzten Klassen, die ich einem zweiten Durchlauf unterzog. Einmal durch und fertig, denn ich hatte das Gefühl es gab in beiden nicht soviel handfestes zu entdecken. Als Kopfgeldjäger gibt es etwa pro Durchlauf einen von drei verschiedenen Titeln auf Alderaan, der völlig entscheidungsabhängig ist. Agenten erhalten je nach Entscheidung unterschiedliche Endszenarien (bis zum Verrat als Doppelagent), Inquisitoren erhalten verschiedene Sith-Titel und Krieger können durch ihre Entscheidungen sogar die Persönlichkeit einer Gefährtin verändern. Derart oberflächliche Dinge (Dinge die auch über Akt III hinaus noch von Bedeutung sind) waren es, die mich immer wieder dazu anspornten doch noch einen Inquisitor, Krieger, Agenten oder Kopfgeldjäger anzulegen. Selbst beim Soldaten hatte man die Möglichkeit sich zwischen zwei Kandidaten für seine Stellvertreter-Position zu entscheiden. Als ich schließlich zu Schmuggler und Ritter kam entschied mich dann aber doch lieber für einen dunklen Schmuggler (2014), der dunkle Ritter musste bis Ostern 2015 warten.

Mit republikanischen Klassen in denen sich Hell/Dunkel nicht so stark auswirkt tue ich mir leichter, denn sinnlose Grausamkeit und vor allem Korruption haben mir den Spaß an dunklen Reps lange verdorben. Die Dunkel V Seite der Republik war für mich irgendwie verstörend, ihr fehlte die Ideologie, sie war lediglich gemein und kriminell. Aus diesem Grunde wollte ich lange auch nichts anderes als meinen hellen Jedi-Hüter. Ich bin kein Fan des Jedi-Ritters, weil ich Akt I bei ihm relativ unspannend finde (im Gegensatz zu anderen Klassen, wo der große Durchhänger erst in Akt II kommt). Außerdem missfallen mir die Kampfanimationen (der Juggernaut liegt mir im Blut und schmeichelt meinen Augen).

Schwächen

Akt I

Wie bereits in meiner Review zum Soldaten erwähnt habe ich diesen schon lange vor dem Ritter gespielt und so sorgte der ziemlich ähnliche Aufbau von Akt I bei mir schließlich für gewisse Irritationen. Es kommt wohl drauf an, mit wem man diese Art von Akt I zuerst gesehen hat. Hätte ich zuerst einen Ritter durch Akt I gepusht wäre mir die Ähnlichkeit zum Akt I des Soldaten wohl dann bei diesem negativ aufgefallen.

Akt I beginnt zunächst ja noch gar nicht so schlecht, denn auf Taris verfolgt man immerhin die Spuren von Wächter 1 und keinen der Schüler Darth Angrals, doch ab Nar Shaddaa geht alles seinen gewohnten Weg. Wobei man im Nachhinein auch Angrals Sohn Lord Tarnis zu den Schülern Angrals zählen muss. Man sucht den jeweiligen "Endboss" und indem man ihn besiegt erhält man die Möglichkeit eine Superwaffe unschädlich zu machen. Und das wiederholt sich immer und immer wieder, wobei man genau wie beim Soldaten auf Tatooine die Möglichkeit hat den Boss zu bekehren. Und im Gegensatz zum Soldaten oder Botschafter bleibt dem bekehrten Sith-Lord die lebenslange Haft erspart. Wieder etwas wo mich Soldat und Botschafter mental irgendwie vorgeprägt und geschädigt haben. Wenn man mir die Möglichkeit bietet jemanden zu entwaffnen denke ich automatisch daran diesen auch zu verhaften und wie er den Rest seines Lebens reuevoll, aber für die Gesellschaft völlig nutzlos in einem Hochsicherheitsgefängnis verbringen wird. Beim Jedi-Ritter funktioniert das genau andersrum, man hilft den Leuten wieder auf die Beine.

Highlights

Bengel Morr

Die Ritter-Story hat schon einige Aspekte die in den anderen Klassenstorys ihres gleichen suchen. Bengel Morr gehört für mich zu den Dingen die den guten Ruf des Jedi-Ritters unterstreichen. Man erhält auf Tython drei Möglichkeiten mit Bengel Morr fertig zu werden. Man tötet ihn, man nimmt ihn in Gewahrsam oder man schließt mit ihm einen Pakt ab. Die letzte Option führt schließlich zu drei ähnlichen Optionen in Akt III. Bis dahin hat der frei herumlaufende Morr jedoch eine Jedi-Meisterin und ihren Padawan, sowie andere Unschuldige auf dem Gewissen. Beim Wiedersehen mit Dark Morr erhält man wieder die Möglichkeit ihn zu töten, ihn gefangen zu nehmen (diesmal aus Reue) oder eben weiter frei herumlaufen zu lassen, damit er einem als Akolyth irgendwie zur Seite steht. Das wären 6 Szenarien die man als echter BioWare-Fan absolvieren würde, wenn man die Zeit und die Lust dazu hätte. Ich habe bis dato drei davon ausprobiert, einmal brachte ich Morr zurück zum Tempel (was zur Folge hatte, dass er in Akt III auf Corellia an meiner Seite kämpft), einmal ging ich einen Handel mit ihm ein (dunkler Jedi-Orden usw.) und einmal ließ ich zu, dass meine Jedi-Wächterin ihn einfach ermordete. Mensch weg, Problem weg, um ein altes russisches Sprichwort zu gebrauchen.

Bengels Überlebenschancen liegen selbst im Idealfall nur bei 11,11 %. Die Mehrheit spielt vermutlich helle Jedi, ein großer Teil würde Bengel wohl auch ermorden und nur eine dreifach in sich gespaltene Minderheit lässt Bengel Morr auf Tython überleben. Rein aufgrund der Statistik sollte es mich daher nicht wundern, wenn Bengel Morr nach Akt III nie wieder eine Rolle spielte. Als Imperiale Doppelagenten auf Yavin 4 ihren kurzen Report an Ardun Kothe durchführen hätte ich mir 2015 auch eine ähnliche Szene für dunkle Ritter gewünscht, aber leider nein.

Für mich ist das Verfahren mit Bengel Morr die entscheidende Frage in der Entwicklung eines Jedi-Ritters. Wie hell oder dunkel ist man, denn einmal getroffen lässt sich die Entscheidung hinsichtlich Bengel nicht mehr rückgängig machen. Selbst wenn man Bengel später zur Rechenschaft zieht, die von ihm als dunkler Jedi begangenen Morde sind Blut an den Händen des Jedi-Ritters. Morr ist aber auch das erste Beispiel dafür wie Entscheidungen sich in der Klassenstory des Ritters deutlicher auswirken. Ein geretteter Bengel Morr schickt einem auf dem persönlichen Raumschiff einsehbare Holonachrichten von seinem Genesungsprozess (ein dunkler Bengel schickt einem ebenfalls Botschaften, aber andere...) und taucht auf Corellia wieder auf. Generell ist es bei Rittern weniger egal wie man mit rettbaren NPCs verfährt. Botschafter haben zwar anspruchsvollere Herausforderungen, aber ihre Entscheidungen wirken sich über den jeweiligen Planeten hinaus kaum aus.


Facetten der dunklen Seite

Mit Bengel Morr tritt bereits im Prolog eine Entscheidung auf, die andere Klassen erst weit später und manchmal überhaupt erst im Finale treffen dürfen. Doch wie bei Morr so gibt es auch andere Stellen an denen man sich mit den verschiedenen Facetten der dunklen Seite beschäftigen kann. Sich Morr anzuschließen ist die dunkelste Variante, ihn zu töten ist immer noch dunkel, aber nicht ganz so finster. Selbst wenn man mit der dunklen Seite flirtet, wie weit ist man bereit zu gehen? Bengel Morr zeigt einem ja auch auf, dass man nicht dem Sith-Orden angehören muss, um sich praktisch wie ein Sith zu benehmen. Wenn man sich Morr anschließt und die Sith vernichtet würden diese nur in Morrs Vision eines dunklen Jedi-Ordens wiedergeboren werden.

Andererseits kann man geringe Dosen der dunklen Seite einsetzen, um Bedrohungen wie Bengel Morr ein für allemal aus dem Verkehr zu ziehen. Man handelt zwar gegen den Jedi-Kodex und erhält Punkte auf der dunklen Seite, aber man tut doch irgendwie das richtige. Auf dieser Welle surft dann auch Taris. Akt I des Ritters wird ab Nar Shaddaa etwas eintönig (wie beim Soldaten), aber er beginnt relativ stark.

Auf Taris präsentiert einem Wächter 1 erneut drei Möglichkeiten bei der Rettung Dr. Goderas. Wächter 1 bedroht ein wehrloses Dorf mit Sith-Attentätern, die Dorfbewohner zu retten würde den Ritter daran hindern Wächter 1 an der Folter Dr. Goderas zu hindern. Wertvolle Informationen würden also in den Besitz des Sith-Handlangers geraten. Gleichzeitig kann man auch die Dorfbewohner ihrem Schicksal überlassen und sofort zu Wächter 1 vorstoßen. Oder man lässt sich von Wächter 1 bestechen, der sich einen Vorsprung ausrechnet, wenn er einem ein altes Artefakt des Jedi-Geheimbunds anbietet. Die Bergung dieses Artefakts lenkt den Ritter allerdings ebenfalls ab.


Begegnung mit dem Imperator

Der Jedi-Ritter ist die einzige Klasse die dem Imperator in dessen eigenen vier Wänden begegnet und vielleicht sogar seinen wahren Körper erblickt hat. Botschafter und Krieger begegnen nur Avataren des Imperators, doch der Ritter trifft an der Seite von Tol Bragas Dreamteam eine in schwarzen Roben verhüllte maskierte Gestalt an Bord von Vitiates Raumstation. Da man das Gesicht dieses Wesens nicht sehen kann und es mit Vitiates Stimme spricht könnte es natürlich genauso gut eine weitere Stimme gewesen sein, doch wieso ist diese dann maskiert? Auf Dromund Kaas begegnet man neuerlich einer Stimme Vitiates, diesmal unmaskiert. Der Imperator wird in seiner Lore als Gestalt mit tiefschwarzen Augen und einer nachhallenden Stimme beschrieben, bisher sind wir diesem Körper aber noch nie begegnet oder doch?

Der Jedi-Ritter war auf jeden Fall am nähesten dran dem Imperator von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Er ist auch die Klasse die sich ihm persönlich entgegenstellt und seine Rituale auf Belsavis, Voss und Corellia vereitelt. Sein Attentat ist schließlich auch der Auslöser für Ilum, Oricon und Shadow of Revan. Die Tat des Ritters ist von tragender Bedeutung für SWTOR nach Corellia, sie hat den Kurs der gesamten Handlung bestimmt. Ohne den Imperator begann das Sith-Imperium zu zerfallen. Das macht die Klassenstory des Jedi-Ritters immens bedeutend und zu "Pflichtlektüre", was ich aber nicht als Qualitätsmerkmal bezeichnen würde.


A-Promi Lord Scourge

Die Klassenstory des Jedi-Ritters profitiert davon, dass sie mit einem Knall endet und das Setting nach Corellia stärker bestimmt als jede andere Klassenstory. Der Jedi-Ritter hat aber auch den Vorteil, dass man einem Begleiter des Ritters gleich seinen eigenen Tie-in-Roman gewidmet hat. Und in diesem (Drew Karpyshyns REVAN) stellt sich heraus, dass Lord Scourge auch einst die Bekanntschaft Revans machte. Da das ganze irgendwie an KotOR II erinnert (aus dem Original völlig unbekannter Charakter taucht auf und wird wegen seiner Revan-Verbindung Mentor des Revan-Nachfolgers) wird die Klassenstory des Jedi-Ritters gerne als KotOR III interpretiert und inoffiziell ist sie es auch. Man hat einiges investiert, um den Jedi-Ritter zur wichtigsten Klasse zu machen, weshalb die Story seit Corellia auch in fast jedem Fall so wirkt als wäre dem Ritter als Klasse auf den Leib geschneidert worden.

Was den Ritter mit Lord Scourge jedoch einzigartig machte war die Bedeutung dieses Begleiters. Ein Romancharakter der in der Story des Spiels auftaucht, da werden Träume wahr. Genau so etwas hat BioWare auch bereits in anderen Spielen wie Mass Effect oder Dragon Age gewagt. Keine Frage, diese Charaktere sind fast immer auch ziemlich populär und beflügeln die Fantasie von Teilen der Community. Scourge ist als Begleiter jedoch nur für Akt III von Bedeutung gewesen, seither wurde er von den Autoren traurigerweise völlig ignoriert. Ein Grund warum sich viele von Season 2 eine Rückkehr Scourges wünschen. Selbst wenn man SWTOR nicht kennt, aber REVAN gelesen hat weiß man wer Scourge ist. Und dieser Tie-in zu REVAN macht die Klassenstory des Jedi-Ritters zur ersten Anlaufstelle für KotOR-Fans.

Kommentieren