Phasma, Kylo Ren und Snoke: Neo-Imperiale ohne imperiale Vergangenheit
Am Donnerstag, 7. Sep 2017 im Topic 'star wars'
Keine Frage, die First Order sieht gut aus, was ja auch daran liegt, das man sich designmäßig bei Apple orientiert hat und quasi ein durchgestyltes Imperium für das 21. Jahrhundert haben wollte. Und visuell war das in Episode VII auch wirklich beeindrucked. Doch immer mehr stellt sich heraus, dass die angeblich in die Unbekannten Regionen geflüchteten Imperialen nun doch keine Imperialen sind.
Der erste Fall dieser Art war Kylo Ren. Kylo entpuppte sich als Ben Solo, der gefallene Jedi-Schüler, mit zwei Helden der Rebellion als Eltern. Wenn ihm Persönlichkeiten wie General Hux misstrauen, dann vielleicht auch wegen seiner Herkunft, an der auch Rens Vader-Verehrung nichts ändern kann. Bis auf Anakin ist Bens Stammbaum mit Rebellen gespickt, selbst seine Großmutter wäre eine solche geworden, hätte sie Episode III überlebt.
Supreme Leader Snoke wiederum ist vermutlich ein humanoider Alien und die imperialen Streitkräfte waren fast ausschließlich menschlich besetzt. Allein das Genie Thrawn konnte die gläserne Decke für Aliens durchbrechen. Wir wissen noch nicht wer Snoke ist, doch er soll kein Mensch sein und er wurde bisher auch nicht in der Literatur etabliert, sodass er wohl bestenfalls irgendwo als diskriminierter Außenseiter innerhalb des Imperiums lebte. Das die First Order einen Alien als Supreme Commander akzeptiert ist überraschend, zumal man sonst bisher noch keine Aliens in ihren Rängen finden konnte und auch die Literatur hat aus der FO bisher keine kanonische Hand von Thrawn gemacht. Snoke mag in den Köpfen mancher Fans wie Thrawn in den Legends erscheinen, doch Snokes Megasternenzerstörer und die übergroßen neuen Sternenzerstörer lassen die FO als größenwahnsinnige Erben des Imperiums erscheinen. Starkiller Base war ja auch so ein Beispiel – dritter Todesstern in Planetengröße, mit genug Feuerkraft um ein Sonnensystem zu vernichten. Bigger, better, Supreme Leader Snoke! Dieses irgendwie sehr amerikanisch angehauchte Imperium nervt nicht wenige Fans der Legends, in denen die Erben des Imperiums weit cleverer dargestellt wurden. Thrawn etwa, der hatte zahlemäßig nur Nachteile, konnte aber mit seinem strategischen Geschick Schlachten gewinnen, indem er seine 4:1 oder 2:1 überlegenen Gegner gekonnt ausmanövrierte. Und die Resistance ist keine Rebellion, sie hat weit weniger Ressourcen, da wirkt das Neo-Imperium als würde man auf totalen Overkill setzen. Fight harder, not smarter – dürfte die Snoke’sche Devise sein. Snoke löschte die Hauptstadt der Republik und die dort stationierte Flotte aus, aber was tat die FO daraufhin? Es gibt in Episode VII keinen Hinweis darauf, ob sich nun dutzende imperiale Schläferzellen erhoben oder ob die FO plötzlich auf breiter Front in die Neue Republik einmarschierte. Wie konnte Großadmiralin Rae Sloane je zustimmen, dass ihr Snoke die Führung der FO abnahm? Sloane, diese eingefleischte Imperiale, die als Charakter erstmals eine dunkelhäutige ältere Frau als Ober-Imperiale gewesen wäre. Nachdem sich Lucasfilm ja ohnehin Diversity auf die Fahnen geschrieben hatte, wäre sie in meinen Augen die Idealbesetzung als De facto-Imperatorin gewesen und ihr Großadmirals-Rang hätte an Thrawn und Daala angeknüpft. Stattdessen kramt man ein obskures Alien hervor und verpasst ihm Palpatine-artige Narben, womit man nicht bloß Fans der Legens vergraulte, sondern auch den Vorwurf begründete man hätte sich visuell und erzählerisch bei Prequels und Sequels bedient, also quasi nichts neues geliefert, sondern nur einen Aufguss der alten Geschichten geliefert.
Captain Phasma ist ein weiteres Beispiel dafür wie wenig imperial die Neo-Imperialen sind. Phasma wurde als Barbarenkriegerin geboren und mordete sich in den inneren Zirkel von General Brendol Hux, als dieser auf ihrem Heimatplaneten gestrandet war. Später opferte sie sogar noch den älteren Hux, womit sie sich nahtlos in den engeren Kreis von Brendols Alleinerben, General Armitage Hux, hocharbeiten konnte. Ich stimme Captain Cardinal aus dem Roman Phasma zu, dass sie es in Wahrheit nicht verdient hat auf den FO-Propaganda-Plakaten abgebildet zu sein. Phasma wie Ren und wohl auch Snoke sind Kreaturen die zu Verrätern an den überlebenden Imperialen werden könnten, um irgendwelche persönlichen Ziele zu erreichen und sei es nur ihr nacktes Überleben. Vor Phasma wirkte Captain Phasma wie eine geborene Imperiale, die sich deshalb in einer verchromten Rüstung zeigte, weil sie so imperial ist, dass sie Teile von Palpatines alter Naboo-Yacht einschmelzen ließ. Die Phasma aus der Episode VII-Promotion ist nicht die Phasma die laut dem ihr gewidmeten Roman unter der Rüstung steckt.
Verglichen mit den Legends nach Endor ist die kanonische Sequel-Ära in meinen Augen bisher sehr enttäuschend. Aftermath ist der lachhafteste Ersatz für die Thrawn-Trilogie. Bloodline ist zwar besser als das meiste, was in den 90ern über Leias politische Karriere geschrieben wurde, doch so ganz kann der Roman auch nicht überzeugen. Die Comicreihe Poe Dameron ist der bisher beste Ansatz, doch sie ist auch kein Ersatz für die X-Wing-Romane und Comics, wenngleich sie sicherlich einen guten Job leistet. Poe Dameron erzählt wirklich neue Geschichten und Poe ist de facto die Reinkarnation von Wedge Antilles und den legendären Mitgliedern der Rogue Squadron. #ProPoe
Die Klonkriege dauerten nur drei Jahre, der Untergang des Imperiums dauerte lediglich ein Jahr. Kanonisch sind die Zeiträume immer kürzer als alles was den Autoren der Legends eingefallen ist, wobei es so wirkt als hätten sich diese mehr Gedanken gemacht als die Lucasfilm Story Group oder George Lucas selbst, als er Episode III so dicht auf Episode II folgen ließ. In den Legends dauerte der Kampf gegen das Imperium fast 15 Jahre (5 bis Thrawn, 6 bis Palpatines Rückkehr, 7 bis Daalas Wiedervereinigung der imperialen Fraktionen und 15 bis zum Friedensvertrag mit dem Rest-Imperium), ehe es zu einem wirklichen Ende des Kriegs kam. Und etwa 100 Jahre später gelang es den Nachfahren der Imperialen ein neues Imperium zum Sieg über die Republik zu führen, was zur Herrschaft der Fel-Dynastie führte. Ein Jahr Krieg gegen das zerfallende Imperium entspricht aber dem Trend, der uns auch schon Megasternenzerstörer, Starkiller Base und die Sternenzerstörer der Resurgence-Klasse eingebrockt hat. Neben größeren und längeren Kriegsschiffen haben wir es also auch mit noch kürzeren Konflikten zu tun. Imo ist die verkürzte Nachkriegszeit deshalb auch unklug, weil man in ihr ja auch einige Ablegerfilme und sogar Trilogien anzusiedeln vermocht hätte. Diese Option fällt nun weg, denn nach Jakku gibt es ca. 25 Jahre Frieden. Also ein Film über Han Solo wie er seine eigene Speeder-Mannschaft trainiert? Episode I Podracer trifft Rush: Alles für den Sieg? Man könnte ja so argumentieren und Episode I Podracer war mal ein nicht ganz unpopuläres Spiel. Selbst die Option für einen Jedi Academy-Film oder ein neues Jedi Academy für verschiedene Gaming Plattformen ist nun womöglich ausgeschlossen. Irre wenn man bedenkt, dass Disney Star Wars explizit wegen des wertvollen Merchandising-Geschäfts kaufte.