SWTOR: Die imperialen Klassenstories und Patch 2.7 - Klassenstory vs. Klassenquest
Man wird sehen inwieweit Bioware sein Wort hält, dass künftige Fraktions-Stories auch den Zweck erfüllen werden, die persönliche Geschichte eines Charakters fortzuschreiben ohne dabei in die klassische Klassenstory abzudriften.

Klassenstories soll es ja keine mehr geben, dennoch sind sie das am meisten geforderte und verlangte Element der Community. Ohne Story verliert SWTOR an Fans und es bleiben nur noch die MMO-Hopper und Personen denen das Franchise/Setting ohnehin egal ist. Ich spiele SWTOR weil es Knights of the Old Republic Online ist, denn MMOs gäbe es ansonsten wie Sand am Meer, aber an KOTOR-Fortsetzungen eben nur diese.

Dennoch ist neue Story stets eine Gratwanderung. Einerseits will man es sich mit der RP-Community nicht anlegen, die dem Spiel immer auch mal vorgeworfen hat, diese oder jene eng gefasste Entscheidungsmöglichkeit würde für ihre Immersion nicht ausreichen oder ihr RP beschneiden (jeder Inquisitor ist Zashs Schüler usw.), andererseits wollen die Leute zumindest irgendein Fitzelchen Dialog, dass mehr ausmacht als nur einen Titel (Zorn, Jäger, Agent).

Das Problem liegt jedoch auch darin, dass man auf dem Weg zum Finale eine Menge Entscheidung treffen kann, auf die Rücksicht zu nehmen unmöglich ist. Die Autoren leiden zudem darunter eben alle Handlungsstränge im Kopf zu haben, während wir Spieler nur ein selektives Gedächtnis besitzen. Aus Spielersicht wäre es etwa wünschenswert Ardun Kothe wiederzusehen, sollte man diesen am Leben gelassen haben, doch die Autoren müssen auch an die kuriosesten Nebencharaktere denken, die dann gefordert werden könnten, wie Gray Star auf Balmorra.

Die Agenten-Story selbst erlaubt bereits am Ende von Akt I vier Entscheidungsmöglichkeiten:
Darth Jadus zu erpressen und zum Rückzug zu zwingen
Seine rechte Hand zu werden
Ihn zu verhaften
Ihn entkommen zu lassen und wenigstens seine Superwaffe deaktivieren

Und die Story entwickelt sich je nachdem bis zu einem Punkt, an dem man neuerlich zum SID-Doppelagenten werden kann, sich als künftiger Chef des Sith-Geheimdienstes ins Rennen bringt, sich aus allen imperialen Datenbanken löscht oder die Blackbox der Verschwörer an den Minister ausliefert.

Dennoch werden alle Agenten auf Makeb zum "Special Projects Commander" ernannt. Ein Titel der allerdings von Darth Marr stammt und auf dessen Autorität begründet ist. Würde Marr "abgesetzt" werden oder sich wie im aktuellen Fall die Kontrolle über das Militär wieder teilen müssen, steht der Machtanspruch der imperialen Agenten auf wackligen Beinen.

Sith Inquisitoren nehmen nach ihrer Abrechnung mit Thanaton einen von drei Titeln an, Schmugglern steht die Wahl frei, ob sie sich weiterhin als Söldner in den Diensten der Republik befinden wollen oder gar als Piraten versuchen.

Aus den gleichen Gründen wieso zweitsitzer Speeder nicht das Mitfahren von Gefährten erlauben, dürften die Klassenstories in ein schwarzes Loch geraten sein. Und die Republik ist schuld. Hätte es etwa M1-4X nicht gegeben, hätten die Entwickler noch 2011 kein Problem damit gehabt zweisitzige Speeder einzuführen. Doch das Droidenungetüm hat nun beiden Fraktionen das Spiel versaut. Fast so als hätte in entscheidenden Momenten die Koordination zwischen den Entwicklern ausgesetzt.

Ich persönlich liebe es, wenn mich NPCs mit dem korrekten Sith-Titel ansprechen (ob nun als Lord Nox, Imperius oder Oculus) oder überhaupt noch jemand als Hand (von Jadus) ansprechen würde. Es waren diese konkreten ingame-Titel und Konsequenzen die mich und viele andere dazu antrieben überhaupt zu twinken. Der Moment in dem Darth Marr meinen Charakter als Lord Imperius ansprach und nach Makeb einlud war für mich erhebend. Die ganzen Mühen hatten sich ausgezahlt. Dann allerdings als Hand von Jadus nur als Agent oder Commander angesprochen zu werden bricht dem engagierten RPG-Spieler schon fast das Herz.

Es mag für die Bohnenzähler großartig sein, möglichst wenig Dialogzeilen einsprechen lassen zu müssen, dennoch geht es selbst bei allen Titeln doch nur um maximal 2-3 Extra-Dialogzeilen je Klasse und Meta-Quest. Es würde allerdings der "Story" immens helfen. Wenn man schon keine Klassenquests mehr einführt, so wäre Klassenstory doch durchaus möglich.

Klassenstory =/= Klassenquest

Klassenquests waren je Klasse unterschiedlich, was zu Gejammere führte, dass bestimmte Klassen es leichter hatten. Klassenstory ist alles was die Geschichte einer Klasse/dieses Charakters fortschreibt.

Dessen ungeachtet braucht man keine eigenen Klassenquests, um mit den gleichen technischen Zutaten eine eigene Klassenstory zu verwirklichen. Nur die Dialoge müssten anders ablaufen.

Als Chefautor Hall Hood in einem seiner raren Interviews davon schwärmte wie man künftigen Content im Avengers-Stil bauen wird, ließ er eines gänzlich unbeachtet, dass nämlich auch in Avengers jeder Charakter seine eigene Story verfolgt.

Hier haben wir Thor der seinen verschollenen Bruder wieder findet und feststellen muss, wie weit Loki doch gefallen ist. Diesbezüglich verfügt Thor sogar über seine eigene Nebenhandlung in Avengers.

In SWTOR ginge es nun darum, zu erzählen warum hier der Zorn des Imperators, eine Hand von Jadus, der Sieger der Großen Jagd und Darth Oculus etwa auf einen Planeten gerufen. Jeder dieser Charaktere hat seinen eigenen Grund dafür etwa auf Makeb zu sein. Und jeder hätte seine eigene Intro-Quest und Anspielungen dafür verdient.

Es ist ja auch nicht so als würde SWTOR nur einige tausend Dollar verdienen und nicht das Geld haben, sich Synchronsprecher zu leisten, von denen fast jeder ohnehin damit rechnen muss, mehere Rollen zu sprechen.

Makeb bewies da interessante Ansätze, aber längst noch nicht den notwendigen Tiefgang, um die Leute davon zu überzeugen, dass es hier um unsere eigenen Stories geht.

Ich verstehe durchaus die Gründe dahinter, bei manchen Klassen einfach den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, wie im Falle des Imperialen Agenten mit seiner handvoll Szenarien. Doch es sollte schon angesichts der vorhandenen Daten möglich sein zu sehen, wie sich die Leute mehrheitlich entschieden haben und so eben auch die Situation akzeptieren, dass vielleicht die Erwähnung des Titels Hand durchaus solide 40% (eine rein fiktive Zahl) der Agenten betrifft. In solchen Fällen akzeptiere ich es gerne, wenn nach einmaliger Erwähnung der Titel weggelassen wird.

Worum es mir allerdings geht ist die unerträgliche Situation, dass sich die Dialoge für Kopfgeldjäger praktisch genauso gestalten wie für den dunklen Lord der Sith. Während die NPCs theoretisch in Furcht vor dem Darth kauern sollten, können sie den anderen wie gewohnt herrisch ansprechen.

Und in dieser Hinsicht geht es nicht einmal so sehr um die Entscheidung innerhalb einer Klasse, sondern wie im wirklichen Story-Content die Klassenstory fortgeschrieben wird. Nach aller Kritik an Makeb, ist es das was ich mir von künftigem Content erwarte. Wenn ich mir nicht einmal mehr sicher sein kann, ob Dialoge wie auf Oricon je nach Klasse überhaupt unterschiedlich abliefen, dann fehlt da genau das für mich, was SWTOR eigentlich für mich einmal attraktiv gemacht hat.

Nicht die Nebenquests oder Planeten-Arcs machen die Faszination SWTORs aus, sondern die Klassenstories. Man mag zwar als Lord oder Meister Jedi angesprochen werden, wenn man auf Planeten questet, dennoch ist mit dem Wegfall der Klassenquests ein Loch entstanden, dass nun individuelle Dialoge bei künftigen Planeten-Arcs füllen müssten. Und das muss dann über den Rahmen eines "mein Lord" oder "Agent" hinaus gehen, sonst ist jeder künftige Content auch nur ein Planeten-Arc minus Klassenstory. Planeten sind das, was man in SWTOR sogar mit Freuden versucht zu skippen. Bei Planeten-Arcs gibt es nach einem Durchlauf kaum mehr Gründe sich überhaupt die Dialoge anzuhören. Entsprechend skippt man und nimmt das lobenswerteste Feature von SWTOR gar nicht mehr wahr. Das lässt sich soweit steigern, dass man praktisch nur noch die nervtötend ewig gleichen Quests wahrnimmt. Und seien wir ehrlich, nach dem zweiten Durchlauf Makebs war ziemlich klar, dass jede Zeile nur noch mehr vom gleichen war.

Jetzt mit mehr Mimimi

Auch reine Dialogquests wie man sie aus KOTOR I kannte (während der Jedi-Ausbildung auf Dantooine etwa) und dazu dienten Konflikte auch friedlich zu lösen, fehlen in SWTOR völlig.

Die Forderung nach mehr Story und mehr Dialogen, wie in KOTOR I eben, all das was BW gut beherrscht und KOTOR großartig gemacht hat, stößt bei den MMO-Hardlinern natürlich auf taube Ohren. Sollen lieber neue Raids rausdrücken... aber wozu? Dass diese nach einem Monat oder zwei wieder auf Farmstatus enden? Wo ist da der Reiz für ehemalige Spieler wieder einzusteigen? Das Fehlen von Storynachschub ist es, was SWTOR seine loyalen KOTOR-Fans aus den Armen getrieben hat. Zu versuchen wie jedes andere MMO zu sein kann nicht dazu beitragen SWTOR langfristig eine starke Gefolgschaft zu sichern.

All jene von den Hardlinern als Casuals verachteten Spieler, die SWTOR zeitweilige Höhenflüge bescherrten... kommen und gehen mit Story-Content. Die Story war und ist der Grund für viele Star Wars und KOTOR-Fans überhaupt SWTOR zu spielen oder auszuprobieren. Mit Ende von Akt III geht die Mehrheit davon jedoch gleich wieder verloren. Es fehlt die Aussicht auf frischen Story-Content. Wer hoffte SWTOR würde KOTOR Online mit gesichertem DLC-Nachschub werden, der wird enttäuscht. SPVP ist ein nettes Gimmick, hat jedoch zwei Patch-Daten als ungenutzt verstreichen lassen.

Warum also bei all dem Frust weitermachen? Es ist wie mit Fast Food, Alkohol oder Zigaretten. Man weiß, dass es schädlich ist und nimmt es trotzdem zu sich, immer wieder.

Kommentieren