Mittwoch, 8. Februar 2017
Faszination Geschichte
Was ich so treibe? Ich habe irgendwo zwischen beruflichen Komplikationen und dem Wunsch nach Veränderung beschlossen Rome II: Total War wieder einmal eine Chance zu geben. Und siehe da, es hat gefunkt. Aber anders als erwartet. Der Grund dafür liegt wohl auch darin, dass ich in etwa zeitgleich Mary Beards SPQR zu lesen begann, ein Ende 2016 endlich auch in deutscher Übersetzung erschienenes Werk über die Geschichte Roms von den Anfängen bis zur Verleihung des römischen Bürgerrechts an so gut wie alle Reichsbewohner unter Kaiser Caracalla. Ich habe während einer frühen Phase der Begeisterung auch gleich an den Rome II Nachfolger Attila gedacht und mir für läppische 9,99 auch dieses Spiel samt Karl der Große DLC gegönnt. Doch ich zocke es so gut wie gar nicht.

Wenn ich an meine Begeisterung für die römische Geschichte denke, dann denke ich zuallererst an das Addon zu Rome I: Barbarian Invasion. Die Zeit der Völkerwanderung wirkte an sich zu kompliziert auf mich, vor allem weil sie im Geschichtsunterricht nur gestriffen wird und auch Byzanz war mir anfangs ein unergründliches Rätsel (das im Geschichtsunterricht meiner Erinnerung nach bestenfalls als Randnotiz vorkam). Ich bin ein großer Fan der Total War-Reihe, zumindest der europäischen Ableger der Reihe. Mit Shogun konnte ich mich nie anfreunden und ich habe in den unterschiedlichen Ären unterschiedliche Favoriten, was sich auch in meiner geschichtlichen Perspektive niedergeschlagen hat. Mit Venedig, Sizilien oder Jerusalem das Mittelalter dominieren, mit den Franken, Byzanz oder Westrom die Völkerwanderung für mich entscheiden, mit Ägypten Rom bezwingen oder als Schweden, Österreich, Preußen oder den USA ein Empire errichten – so wurde Geschichte für mich spannend. Das großartige an Total War ist in meinen Augen, dass die Reihe durchaus aktuelle angloamerikanische Publikationen heranzog, um die Ausgangsszenarien glaubwürdig zu gestalten. So wurde Preußen in Empire wohl eindeutig durch Christopher Clarkes Werke über die preußische Geschichte inspiriert. Und Attila geht in meinen Augen sehr stark auf Peter Heathers Darstellung des Untergang Roms zurück (durch den Druck seitens der hunnischen Invasion und der damit angestoßenen Völkerwanderung).

Wie auch immer, Total War ist kein eigenes Universum, aber die darin vorkommenden „Charaktere“ besitzen umfangreiche Vorgeschichten und dergleichen. Wovon man bei jedem Star Wars-Spiel träumt ist ein Teil der Handlung zu sein und auf Persönlichkeiten aus den Filmen, Serien oder Romanen zu treffen. In Total War ist das genauso, nur dass es eben ein fiktives Werk ist, das reale Erlebnisse als Ausgangspunkt für eine Fiktion nimmt. Es gibt also hunderte oder sogar tausende von Tie-ins zu Total War und ich nenne zumindest ein paar sogar mein Eigen. So besitze ich sowohl Clarkes Preußen, als auch Heathers Untergang des Römischen Weltreichs. Aber ich bin auch begeisterter Leser unzähliger Biografien, wie zum Vater der theodosianischen Dynastie, die in Gestalt von Arcadius und Honorius den weströmischen und oströmischen Fraktionsführer in Attila: Total War stellt. Mein Interesse an Seleukiden und Ptolemäer hat mich zu James Romms Geist auf dem Thron geführt, ein von mir langersehntes ebenfalls 2016 erschienenes Werk über die Krise nach dem Tod Alexander des Großen. Ich habe mein ptolemäisches Ägypten in Rome II bereits mehrmals auf den Spuren Alexanders zur Herrschaft über die östlichsten Provinzen und sogar ganz Arabien (ein unerfüllter Traum Alexanders) geführt. In der Augustus-Kampagne von Rome II gelang es mir zuletzt den Pompeianern zur Eroberung Roms zu verhelfen, nachdem ich als Marcus Aemilius Lepidus bei der Verteidigung meiner nordafrikanischen Basis gescheitert bin. Als Besitzer des griechische Kulturen-Pakets träume ich sogar davon eines Tages meine Kampagne als Athen fortzuführen oder neu zu beginnen, um die Geschichte von Griechenland aus umzuschreiben. Athen statt Rom.

In der Realität sitze ich meistens mit einem Buch in der Hand da und lese. Ich habe meine alten Schmöcker hervorgekramt und mir neue zugelegt, sodass sich meine Interessen vielleicht etwas einseitig in Richtung der Antike verschoben haben. Ich liebe die Antike seit ich zum ersten Mal mit dem Spiel Pharao in Berührung kam und während mich Rome anfangs eher kalt ließ fesselte mich Barbarian Invasion umso mehr. Mein Fimmel für südeuropäische Stadtstaaten hat auch dazu geführt, dass ich stets die Augen offen halte, wenn ich irgendwo auf Neuerscheinungen zu Venedig stoße. Die Macht der venezianischen Handelsrepublik wirkt beeindruckend auf mich, zumal ich in dieser Hinsicht familiär geprägt wurde. Händler und Handwerker, die zu einer der bedeutendsten Seemächte des westlichen Mittelmeers aufstiegen. Venedig war wohl mehr wie Karthago, als wie Rom oder Athen, aber es steht für mich ganz in dieser Tradition einer Stadt die zu einem Reich wurde (was bei Athen realhistorisch nicht der Fall war).

Meine Faszination für die Geschichte und vor allem die Antike hat wohl auch dazu geführt, dass meine Ergüsse über die letzten beiden Addons zu The Old Republic einschlägig gefärbt waren. Der Allianzkommandant als Odoaker, der den letzten weströmischen Kaiser absetzte und sich zum König von Rom aufschwang. Meine Überlegungen dazu wie Zakuuls Zentralismus eine Führungskrise schuf, die dann lediglich von einem neuen Alleinherrscher gefüllt werden könnte. Ich liebe es, mir Dinge erklären zu können und mehr aus einer Geschichte herauslesen zu können. SWTOR bewegt sich in einem fiktiven Universum und doch kann man Vergleiche ziehen und Erklärungen aus unserer realen Geschichte auf dieses Universum anwenden. So wirkt die Ära nach 5.0 immens spannend, weil sie sich mit dem turbulenten Ende mancher römischer Dynastien vergleichen lässt. Ein Kaiser folgt auf den anderen, es gibt Bürgerkriege und Truppenverbände wechseln die Seiten, während nicht jeder neu ausgerufene Herrscher davon ausgehen kann dauerhaft anerkannt zu werden. Das Ewige Imperium kann ebenso zerfallen wie das Reich eines Alexanders. Und am Ende bekämpfen sich wieder zwei Großreiche wie Seleukiden und Ptolemäer, nur dass sie eben Republik und Sith-Imperium genannt werden. Ewige Kriege wie diese können sich jahrhundertelang hinziehen. Gebiete werden erobert, verloren, getauscht und gelegentlich taucht eine neue Bedrohung auf. Selbst innenpolitische Krisen führen nicht immer zum Untergang, sonst hätten die Parther und Sassaniden nie so lange gegen die verschiedenen Inkarnationen Roms durchgehalten. Selbst Rom erlebte ja Bürgerkriege, Invasionen und „Sonderreiche“. Nur wird The Old Republic leider nie zu einer Art Antike des Star Wars-Universums werden können, weil das Spiel samt seiner Inhalte als Teil der Legends gilt. Die Überlieferungen sind also unzuverlässig und vieles, wenn nicht sogar alles wird wohl gar erfunden sein. The Old Republic ist wenig mehr als Legends of the Old Republic, auch wenn das Kürzel LotOR wohl zu nahe an Lord of the Rings Online LotRO liegt.

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