Herumgehacke auf Österreich - internationale Pressestimmen zur Nationalratswahl 2008
entnommen von http://www.apa.at/cms/site/news_item.html?channel=CH0069&doc=CMS1222772368089

"The Times" (London):

"Österreich ist etwas Besonderes. Das sagt seine Tourismuswerbung, und die Schlagzeilen zu den seltenen Anlässen, an denen die Alpenrepublik weltweite Aufmerksamkeit bekommt. Eine dieser seltenen Gelegenheiten war an diesem Wochenende, als die österreichischen rechtsextremen Parteien 29 Prozent der Stimmen erreichten. (...) Das letzte Mal war im April, als Josef F. für das Gefangenhalten seiner eigenen Tochter und die Vaterschaft an sieben ihrer Kinder festgenommen wurde. Es wäre absurd, den Fall F. direkt mit der problembehafteten österreichischen Politik in Verbindung zu bringen, aber die Tatsache, dass F. sein Verhalten seiner strengen Erziehung während des Dritten Reichs anlastete, zeigt, dass das Land immer noch von seiner Vergangenheit behindert wird, anders als das benachbarte Deutschland. Im Großen und Ganzen haben sich die Deutschen mit ihrer Nazi-Vergangenheit auseinandergesetzt und diese verurteilt. Die Österreicher taten das nicht, weswegen ein Drittel von ihnen, anders als die Deutschen, bereit sind, für ausländerfeindliche Parteien zu stimmen. (...) Die Österreicher werden ihren Moment trauriger Berühmtheit genießen. Sie mögen es, der Außenwelt die lange Nase zu zeigen. Aber die Welt wird sie bald wieder vergessen - bis das nächste Skelett aus ihrem lange vergessenen Keller auftauchen wird."

Wir meinen: Es ist immer leicht auf den kleinen Ländern herumzuhacken, auch wenn in Deutschland die NPD mit weit naziphileren Kurs in Landtage einzieht, die in Österreich versuchsweise domestizierte Rechte aber als Verkörperung allen Bösen gilt. Schrieb Churchill die Schuld am braunen Holocaust nicht einst Preußen zu?

"Daily Telegraph" (London):

"Drei von zehn Österreichern haben bei den Parlamentswahlen für rechtsextreme Parteien gestimmt. (...) Niemand, der einen Sinn für Geschichte hat, wird sich dabei nicht an den Klang von Stiefelschritten auf Kopfsteinpflaster und brennender Synagogen erinnern. Jörg Haider, der Führer der Freiheitlichen Partei (sic!) hat SS-ler als Patrioten beschrieben und den Holocaust verniedlicht. Heinz-Christian Strache, der aggressive Führer des Bündnisses für die Zukunft Österreich (sic!), wurde in der Vergangenheit mit Neonazis in Verbindung gebracht, und führte eine ungekannt bösartige Kampagne gegen Zuwanderer und Ausländer. (...) Das Ergebnis bedeutet nicht, dass Österreich reif für den Faschismus ist, sondern dass das alte Politikmodell, das nach dem Krieg in einem Großteil Europas entwickelt wurde, kaputt ist, und es noch keinen Ersatz dafür gibt."


Wir meinen: Wer schon über Österreich herziehen will sollte doch wenigstens wikipedia benutzen können und verstehen dass Strache nicht BZÖ-Chef ist. Dem Resümee lässt sich allerdings zustimmen, die aus der Nachkriegszeit geborene Zweite Republik ist tot oder ruiniert, sie gehört ersetzt. Nur leider waren es Haider und Strache, die als einzige versuchen wollten eine Alternative anzuzeigen, besonders Haiders in den 90ern vorgebrachte Theorie einer Dritten Republik ist dafür ausschlaggebend, wenngleich sehr schwammig.


"Tagesspiegel" (Berlin):

"FPÖ und BZÖ haben zwar, das war bei den Wahlveranstaltungen zu beobachten, einen Bodensatz an alten Ewiggestrigen und jungen Männern mit zu kurzen Haaren und zu düsteren Bomberjacken. Doch das ist nur ein kleiner Teil ihres Elektorats. Der Großteil sind Modernisierungsverlierer, Menschen, die von den Auswirkungen der Globalisierung an den Rand gedrückt werden. Sie haben mit der herkömmlichen Politik der Großparteien abgeschlossen und wenden sich deswegen Populisten mit einfachen Parolen zu. Menschen wie sie gibt es auch in Deutschland - nur, dass dort die Populisten auf den Namen "Die Linke" hören. Ihre Wähler sind im Zweifel genauso wenig klassische Linke wie in Österreich die Wähler der FPÖ klassische Neonazis sind. Das Wahlergebnis ist also kein Aufschwung für die Rechte -, sondern ein Aufschwung für die Populisten."

Wir meinen: Endlich mal jemand der die Lage in Österreich versteht. BZÖ und FPÖ haben vor allem gesiegt, weil sie sich einer, Haider nannte sie, Politik nach amerikansichen Modell verschrieben haben. Einfache, knackige Slogans und Tatendrang zu simulieren reicht aus um die "politikverdrossenen" Massen zu mobilisieren. Wo die lieben Engländer vom hohen Ross herab ihre teils peinlich schlecht formulierte Kritik äußern und die eigene imperiale und rassistische Vergangenheit zu negieren versuchen, frei danach, andere kritisieren, damit niemand auf einen selbst sieht, sind es doch unsere Nachbarn, die das Problem im eigenen Land erkannt haben und daraus auf das österreichische Problem schließen können.


"taz" (Berlin):

"Österreich ist kein Land der Rechtsextremisten. (...) Zwar würden die 29 Prozent, die Sonntag ihr Kreuz bei FPÖ (18) oder BZÖ (11) machten, mehrheitlich wohl keine Inder durch die Straßen jagen oder beim Sonnwendfeuer den Arm zum Hitlergruß heben. Beim harten Kern der Rechtsparteien sieht das aber anders aus. Und anders als in Deutschland oder anderen europäischen Staaten wird dieser nicht in politischer Quarantäne gehalten. Er gilt sogar als brauchbarer Koalitionspartner. Zumindest bei der ÖVP und einem kleinen Flügel der SPÖ. (...) Das Ergebnis heißt Heinz Christian Strache, der nur für die TV-Auftritte Kreide frisst, vor seinen Sympathisanten aber den gesamten Kanon an dumpfen Parolen aufbietet: Eine Mischung aus national und sozialistisch, die auf die Globalisierungsverlierer zugeschnitten ist."

Wir meinen: Leider, die Realität


"La Repubblica" (Rom):

"Die Kriminalität, die Arbeitslosigkeit und die Immigration sind in Österreich sinkend, doch die Angst wächst. Die beiden Parteien der radikalen Rechten haben 29 Prozent der Stimmen erhalten und somit die "Große Koalition" besiegt. Das verdanken sie der Apathie der traditionellen Politik"

Wir meinen: Berlusconi wird sich wohl freuen.



"Corriere della Sera" (Mailand):

"Der Weg zur Bildung der neuen Regierung in Österreich zeigt sich hürdenreich. Der Rücktritt des ÖVP-Obmanns Molterer könnte die Bildung einer neuen Koalition fördern. Doch die beiden Rechtsparteien, die FPÖ und die BZÖ von Jörg Haider, die zusammen fast 30 Prozent der Stimmen erhalten haben, sind in einer Position absoluter Stärke".

"Pravda" (Bratislava):

"Die Österreicher haben FPÖ und BZÖ nur aus Protest und Zorn gewählt. Sie haben Konsequenzen nicht in Betracht gezogen. Der Zorn ist aber ein schlechter Ratgeber. Der Zorn verursachte, dass die Wahlergebnisse nicht die Bildung einer stabilen Regierung zulassen werden."

Wir meinen: Es ist irrtierend wie sehr gerade der "Westen" sich weigert das Problem Österreichs zu verstehen und selbst massive Probleme hat, während die Länder Mittel- und Osteuropas nur zu gut begriffen haben, wo der Hund begraben liegt.

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