Der rechtmäßige dunkle Lord der Sith
Wie schon von Darth Nyriss im Revan-Roman festgehalten, hat sich Darth Vitiate mit vielen Mythen und Legenden umgeben, um die Wahrheit über seine Herkunft und seinen Aufstieg zu verschleiern. So behauptet eine dieser Legenden, dass der junge Tenebrae seinen Sith-Namen von Marka Ragnos höchstpersönlich erhielt, der Lord Vitiate als einen potentiellen Nachfolger und Erben sah. Doch genau diese Geschichte könnte eine Lüge gewesen sein, mit der sich Vitiate nach Ragnos Tod und dem verlustreichen Bürgerkrieg zwischen Naga Sadow und Ludo Kressh in Stellung bringen wollte, um die verbliebenen Lords nach Nathema zu locken.

Unterm Strich wissen wir, dass Tenebrae der illegitime Sohn von Lord Dramath war. Dass er seinen Vater und seine Geschwister ermordete bzw. Dramaths Geist in ein Holocron sperrte und die Macht über Nathema erlangte. Dabei floh Lord Dramath II. ins Exil und Tenebrae wurde als Lord Vitiate zum neuen Herrn von Nathema erklärt. Illegitimer Sohn verdrängt legitimen Erben und beseitigt den eigenen Vater - das dürfte für die Mächtigen dieser Zeit keine große Sache gewesen sein. Und seit 5.0 wissen wir ja auch, dass die Legende um Dramaths Tod (er sei in den Wahnsinn getrieben und dann ermordet oder zum Selbstmord gezwungen worden) eine Lüge ist. Dramath fürchtet seinen Sohn nicht, viel eher wirkte er so, als hätte ihn der junge Sith-Hexer einst irgendwie betrogen und nicht durch seine überlegenen Fähigkeiten besiegt. Vermutlich trickste Tenebrae seinen Vater genauso aus wie jene Sith-Lords die er auf Nathema ermordete, indem er sie in eine Falle lockte. Vielleicht präsentiert Tenebrae Dramath ein Holocron, das dessen Geist absorbierte und es so wirken ließ als hätte der verachtete Sohn den Vater ermordet. Vitiates Selbstdarstellung läuft darauf hinaus, dass er Nathema in einer längerfristigen militärischen Kampagne eroberte, doch als militärisches Genie ist der spätere Sith-Imperator nie aufgetreten. Viel wahrscheinlicher wirkt es doch, dass er nach einem gescheiterten Aufstand vor seinen Vater geführt wurde und es irgendwie schaffte einen Putsch anzuzetteln, indem er Dramath aus dem Weg räumte. Tenebrae war ein Meister der Sith-Alchemie und erlernte nach seinem Aufstieg zu Lord Vitiate viele bedeutende Sith-Künste. Doch zuvor? Da war er ein bedeutungsloser Bastard, der allerdings auch am Hof seines Vaters aufgewachsen sein könnte, wo er im Schatten seiner Halbgeschwister durchaus etwas von den Sith-Künsten lernte.

Lord Vitiate dürfte durch seine Randexistenz und die Zurückweisung durch Sith wie seinen Vater, seine Geschwister oder andere Sith-Lords mit einem gewissen Groll gegen den "Sith-Orden" aufgewachsen sein. Es war dann kein Wunder, dass er nach Sadows Niederlage gegen Ludo Kressh und Kresshs Tod in der letzten Schlacht des Bürgerkriegs mit Sadow die Chance nutzte brutal mit den Sith abzurechnen und sich an die Spitze der Sith-Hierarchie zu putschen, wie er es wohl bereits auf Nathema getan hatte.

Man sollte nun einen kleinen Exkurs in die Geschichte der dunklen Lords der Sith wagen. Der erste dunkle Lord war Ajunta Pall - Anführer der verbannten dunklen Jedi, der den letzten Sith-König gestürzt hatte und sich als Anführer eines Rats-Gremiums aus Lords durchsetzte. So wurde der Rat der Sith oder Rat der dunklen Lords geboren, die Versammlung der mächtigsten Sith-Kurfürsten, welche auch ihren Anführer küren durften. Sich innerhalb dieses Gremiums durchzusetzen verlangte politische Bündnisse und die Demonstration persönlicher Macht. Um als der eine dunkle Lord der Sith anerkannt und inthronisiert zu werden bedurfte es einer einfachen oder Zweidrittelmehrheit. Aus diesem Grund stiegen Kriegsherrn wie Tulak Hord oder Marka Ragnos auch in die höchsten Ränge auf, denn sie verstanden es sich Verbündete zu verschaffen und ihre Feinde durch Verbündete zu ersetzen oder eben durch ihre überlegene Macht in Schach zu halten. Innerhalb des feudalen Sith-Reichs repräsentierte der Sith-Rat wohl bereits einen Vorgänger des Dunklen Rats (der Sith), denn jeder der Kurfürsten dürfte innerhalb seines Territoriums etwas besessen haben, was ihn für die anderen unverzichtbar machte. Naga Sadow war etwa ein bedeutender Alchemist, der bereits die ersten "kabellosen Lichtschwerter" konstruieren ließ und seine Prospektoren aussandte, um Lichtschwertkristalle zu finden. Heute wissen wir im Kanon, dass Lichtschwertkristalle mehr sind als bloße Energiequellen - sie dienen als Verstärker der Macht und wurden oftmals in den Waffen der alten Sith verwendet. So ergeben die scheinbar übermächtigen Sith-Artefakte aus Sadows Zeiten nun auch Sinn, sie wurden zweifellos von "Kyber-Kristallen" angetrieben, welche durch die Macht gesteuert werden konnten. Sadows Fähigkeit Machtillusionen über einen ganzen Planeten zu verbreiten lag also zweifellos am Einsatz von diesen machtsensitiven Kristallen, die gewissermaßen Signale von Sadows "Meditationssphäre" (die antennenähnliche Anhängsel aufweist) weiterleiteten. Die Magie der alten Sith geht also zweifellos auf ihre Erkenntnisse aus den "illegalen Forschungen" der verbannten dunklen Jedi zurück, welche Experimente mit den Kyber-Kristallen und Midichlorianern betrieben haben dürften. Forschungen die zuletzt von Darth Plagueis aufgegriffen wurden. Und diese auf Kyber-Kristallen und der Macht aufgebaute Technologie stammte ursprünglich wohl von den Rakata, deren Schiffe und Waffe bereits voraussetzten, dass man die Macht kontrollieren konnte. Unter der Besatzung durch die Rakata gelangten die alten Sith zweifellos an viele Rakata-Artefakte und dass die Sith-Welten von den Rakata besetzt wurden dürfte vielleicht an versteckten Kristall-Quellen gelegen sein, welche auch die hohe Quote an Machtsensitiven unter den ethnischen Sith verursacht hatten.

Nach Sadows Verschwinden und Kresshs Tod waren die Sith auf jeden Fall führungslos. Das Sith-Reich stand am Rande einer militärischen Katastrophe, denn Naga Sadow hatte als dunkler Lord eine epische Invasion der Republik begonnen, doch als es notwendig war Verstärkung zur Front zu schicken blieb diese aus. Als Sadow nach ersten Niederlagen zurückkehrte, um die benötigte Verstärkung einzufordern wurde er damit konfrontiert, dass Ludo Kressh einen blutigen und sinnlosen Bürgerkrieg begonnen hatte. Die Verbündeten Sadows waren entweder tot oder sie hatten sich Kressh angeschlossen, die Front kollabierte also, während Kresshs Anhänger sich auf Sadows Loyalisten einschossen. Als sich der Staub gelegt hatte waren sowohl Kressh als auch Sadow verschwunden. Kressh und seine Verbündeten wurden durch von Sadow manipulierte Massassi-Krieger ermordet, während Sadow eine Bruchlandung auf Yavin 4 erlitt. Militärisch war das an sich verteidigungsfähige Sith-Reich nun bereits geschlagen, ehe die ersten Verbände der Republik eintrafen. Kresshs Traditionalisten hatten irgendwie gewonnen, doch auch sie waren führerlos. In dieser Situation berief Lord Vitiate so etwas wie ein Konzil auf Nathema ein, doch nicht alle Sith-Lords folgten seinem Ruf. Manche mochten bereits erkannt haben, dass Vitiate eine eigene Ambitionen verfolgte, andere standen bereits Truppen einer auf Rache sinnenden Republik gegenüber.

Die letzten Lords des Alten Reichs wollten einen neuen Sith-Rat etablieren und einen neuen dunklen Lord küren, weshalb sich vor allem die Kressh-Dynastie engagierte Vitiates Bemühungen zu unterstützen. Vitiate nutzte jedoch einen Trick, der Jahrtausende später auch Darth Bane nützlich sein würde. Er versprach den Sith einen schnellen Sieg über die anrückenden Jedi, indem sie ein spektakuläres dunkles Ritual ausführen würden, mit dem man alle Truppen des Feindes vernichten könnte - klingt wie die Gedankenbombe oder nicht? Doch tatsächlich begingen die letzten Lords der Sith rituellen Selbstmord, um Vitiate unbegrenzte Macht und Unsterblichkeit zu verschaffen. Es ist nicht klar was dann geschah, doch Vitiate bemächtigte sich der Anhängerschaft vieler Lords und vor allem der Kressh-Familie, um mehrere Welten zu evakuieren und in einem Flüchtlingstrek in unbekannte Regionen zu führen. Vitiate führte die Flotte der Sith mehrere Jahre durch komplexe Hyperraumsprünge nach Dromund Kaas, vermutlich um zwischenzeitlich aktiv gewordene republikanische Wachposten auszutricksen und die Größe seiner Anhängerschaft zu verschleiern. Kaas lag immerhin nicht zu weit von den durch die Republik eroberten Welten Ziost und Korriban entfernt. Als die Gefahr durch die Sith gebannt schien zogen die Republik und die Jedi jedoch ab und ließen nur einige Wachtposten zurück. Der Völkermord an den Sith die nicht an Bord von Vitiates Schiffen entkommen waren wurde geflissentlich vertuscht. Doch tatsächlich dürften die Sith aktiv an der Auslöschung ihres eigenen Volkes mitgewirkt haben, vor allem wenn Despoten wie Ludo Kressh alles dafür getan haben, um die Anhängerschaft ihrer Gegner auszulöschen. Kressh war zudem deutlich Sith-zentrischer als Naga Sadow. Wie aus den Erzählungen der Crew des Raumschiffs Omen hervorging war Sadow deutlich weltoffener und er beschäftigte nicht wenige Menschen oder auch Aliens in Führungspositionen. Sadow war stolz auf seine Abkunft von den dunklen Jedi und er sah sein menschliches Erbe gewissermaßen als die Zukunft der Sith, welche sich irgendwann derart umfassend mit den Menschen vermengt haben würden, sodass die Reinblut-Spezies nicht länger existieren würde. Sadow verachtete wohl die primitive Sith-Kultur, welche von Traditionalisten wie Kressh bedingungslos verehrt wurde. Sadow sah sich daher auch als Modernisierer, der im Sinne der verbannten dunklen Jedi eine umfassende Reform des Sith-Reichs durchführen wollte.

Unter Vitiates auserwähltem Volk befanden sich zwar immer noch einige sehr dominante Sith-Familien, doch die Mehrheit des Volkes war menschlich. Während sich die konservativen Sith lange an der Macht halten konnten mussten sie über die Jahrhunderte jedoch akzeptieren, dass sich menschliche Sith-Lords zunehmend Plätze im Dunklen Rat verdienen konnten.

Als "Sith-Imperator" kümmerte sich Vitiate sehr wenig, um den Erhalt der Sith-Kultur oder die Reform des Sith-Ordens, er überließ diese Aufgabe stattdessen den Resten der Sith, welche er mit nach Dromund Kaas gebracht hatte. Über die Jahrhunderte entstanden zunehmend Spannungen zwischen den Sith und dem Imperator des Sith-Imperiums. Grund dafür waren die Ambitionen einzelner dunkler Lords, aber auch des Dunklen Rats als Gemeinschaft. Immer wieder setzte Vitiate darauf den Rat aufzulösen und die dunklen Lords samt ihrer Anhängerschaft auszulöschen. Das ging soweit, bis er irgendwann sogar die prominente Kressh-Dynastie ausrotten ließ, weil sich diese immer wieder gegen ihn erhoben hatten. Der Sith-Imperator war kein Freund der Sith und er betrog die Sith etwa, indem er die beiden gefallenen Jedi Revan und Malak zu dunklen Lords ernannte. Mit Revan und Malak hoffte Vitiate die Galaxis zu erobern. Doch gerade die Begegnung mit Revan trieb Vitiate wohl auch dazu an sich immer mehr für die Schaffung eines neuen Ordens zu interessieren - ein Projekt das er schließlich auf Zakuul verwirklichte. Vitiate stahl Rohstoffe und Ressourcen des Sith-Imperiums, um sich sein privates Imperium auf Zakuul zu schaffen und er hatte kein Interesse daran dieses für den Sieg der Sith über die Jedi zu nutzen. Vitiate hatte den Sith-Orden schon lange verraten, ehe er alles Leben auf Ziost auszulöschen versuchte. Ziost - den einstigen Sith der dunklen Lords unter Ajunta Pall, die Hauptwelt des Alten Reichs, wo selbst noch Marka Ragnos und Naga Sadow als dunkle Lords residierten. Vitiates Angriff auf Ziost war sein nicht nur symbolischer Bruch mit dem Sith-Orden.

Die Machtkämpfe innerhalb des Sith-Ordens hatten diesen zur Zeit von Vitiates Verrat immens geschwächt. Doch zu diesem Zeitpunkt als Vitiate auch formell seinen Anspruch zurückwies der dunkle Lord der Sith zu sein wurde diese Funktion wieder frei und sie fiel de facto Darth Marr zu. Vitiates Machtanspruch war zu keinem Zeitpunkt unumstritten. Der ins Exil geflohene Naga Sadow blieb eigentlich dunkler Lord der Sith bis er diesen Titel Freedon Nadd verlieh, der allerdings nie mehr als Onderon regierte. Doch auch Sadows Geist existierte weiter und beobachtete Vitiates Treiben mit Missgunst. Exar Kun und Ulic Qel-Droma waren es schließlich, welche mit dem Segen von Marka Ragnos Geist als die neuen dunklen Lords der Sith anerkannt wurden. Angesichts des Umstandes, dass Vitiate Doppelagenten in die Ränge des Jedi-Ordens geschleust hatte, welche dafür sorgen sollten, dass bestimmte Artefakte und Machtgeister neutralisiert blieben, ist es fraglich, ob vielleicht einige von Vitiate manipulierte Jedi-Meister ihre Hände im Spiel hatten, als Freedon Nadd und Exar Kun in die Schranken gewiesen wurden. Gegenüber dem sehr geschichtsaffinen Jedi-Botschafter behauptet Vitiate/Valkorion ja auch, dass dieser nie hinter die geheimen Manipulationen kommen würde, welche über die Jahrhunderte stattgefunden haben. War die Entsendung Arca Jeths und seine Schüler nach Onderon etwa kein Zufall, sondern eine von langer Hand geplante Mission, um einen möglichen Rivalen (Freedon Nadds Geist) auszuschalten? Fürchtete Vitiate die Entdeckungen, welche Freedon Nadd bei seinen Expeditionen in alte Sith-Tempel gemacht haben könnte? Aber vor allem, was empfand Vitiate als Marka Ragnos Geist Exar Kun zum legitimen dunklen Lord der Sith erklärte? Der letzte universell anerkannte dunkle Lord der Sith, der Mann der Vitiate lediglich den Titel eines Sith-Lords zugestanden hatte, erhob Exar Kun zu seinem Erben.

Aus Sicht der alten Sith, aber vor allem der letzten beiden dunklen Lords der Sith (Marka Ragnos und Naga Sadow) war Vitiate kein legitimer dunkler Lord - der Titel des Sith-Imperators sei demnach lediglich der Titel eines Kaisers des Sith-Imperiums, nicht jedoch der des legitimen Anführers des Sith-Ordens und der Erben jener dunklen Jedi die einst gegen den Jedi-Orden rebelliert und dafür mit ihrer Verbannung bezahlt hatten. Der dunkle Lord der Sith muss demnach kein Anführer der politischen Entität des Sith-Imperiums sein, sondern nur der anerkannte mächtigste Lord der Sith - dass Darth Marr also auf den Thron verzichtete und dennoch die Sith anführte ist daher kein Widerspruch für einen dunklen Lord der Sith. Und doch wurde Marr von Vitiate ermordet, eine Tat die den einstigen Sith-Imperator neuerlich als Feind des Sith-Ordens entlarvte.

Marrs Tod machte diesen zu einem Märtyrer, der nun als Machtgeist aber weit gefährlicher ist als zu Lebzeiten. Marr ist wie Marka Ragnos nun eine Gestalt welche die dunkle Seite und den Sith-Orden repräsentiert. Darth Acina oder Darth Vowrawn sind nur politische Führungsfiguren, nicht jedoch quasi-religiöse Kriegshelden wie Darth Marr oder Exar Kun. Dass Sith-Krieger an der Sith-Akademie auf Korriban etwa zu hören bekommen, dass einer der Aufseher sie als Reinkarnation Exar Kuns bezeichnet hat, wirft auch ein schiefes Licht auf die Loyalität der Sith zum Sith-Imperator. Der dunkle Lord der Sith braucht die imperiale Armee nicht um Erfolg zu haben, er kann sich seine eigene Armee verschaffen. Er braucht auch nicht die Gefolgschaft des "Sith-Ordens", denn er kann die wahren Sith um sich versammeln. Darth Bane erkannte diese Umstände als er Lord Kaans Bruderschaft der Dunkelheit zu verachten begann - Kaans "Sith-Imperium" war ein Reich der dunklen Seite, aber es war nicht mehr wirklich ein Reich der Sith. Kaan selbst war wenig mehr als ein dunkler Jedi, der sich als Sith bezeichnete und einige Machtfähigkeiten der dunklen Seite zu beherrschen gelernt hatte.

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