Karl Renner und der Jedi-Orden
Es gibt Themen auf die kommt vermutlich nur jemand mit meinem Hintergrund, so auch auf dieses. Nach der Lektüre von zwei einschlägigen Biografien und einigen querschießenden Gedanken über 5.0 kam es, dass ich einen Vergleich zwischen Dr. Karl Renner und meinem Jedi-Ritter in der 4.0/5.0 Storyline zog.


Wer war Karl Renner?

Um zu verstehen worauf ich hinaus will sollte man wissen wer Karl Renner war und selbst den meisten Österreichern dürfte dieser Name nur fern aus dem Geschichtsunterricht bekannt sein. Renner war der Gründer der Republik Österreich und das interessante Detail am Rande hierzu ist, dass er diese Aufgabe sogar zweimal wahrnahm, nämlich 1918 und 1945. Der "Staatskanzler" Renner wurde 1945 schließlich auch der erste Bundespräsident Österreichs.

Kontrovers ist die Persönlichkeit Renners vor allem weil er dem linken Flügel der Sozialdemokraten (wohl auch der Kommunisten und heutiger Grün-Alternativer) etwas zu rechts war. Renner träumte nie von der glorreichen Weltrevolution, sondern wollte sich durch Arbeit im Staatsapparat und in der Regierung zur Macht hocharbeiten, anstatt Gewalt zu nutzen. So diente sich Renner in der Monarchie den Monarchisten an und hegte bis zuletzt Hoffnungen auf einen Erhalt der Donaumonarchie oder zumindest einer Donauföderation, um unsinnige Ausschreitungen nationalen Eifers und Pogrome gegen Minderheiten zu verhindern. Auf gewisse Weise war Renner ein Vordenker eines europäischen Friedensprojekts.

In der Ersten Republik stand Renner in der Kritik des linken Flügels seiner Partei und sah sich damit konfrontiert, dass sich die roten Hardliner gegenüber jeder Möglichkeit mit den verhassten Bürgerlichen in eine Regierung einzutreten verschlossen. Man träumte lieber von der glorreichen Revolution, anstatt Verantwortung zu übernehmen und wenn das Thema zur Sprache kam drohte man mit einer Spaltung der Partei. So blieben Pragmatikern wie Renner die Hände gebunden und die Fronten zwischen Rot und Schwarz konnten sich ungehindert verhärten.

1933 traf Renner schließlich die Mitschuld an der berühmt-berüchtigten Selbstausschaltung des Parlaments. Die Regierung Engelbert Dollfuss suchte nur nach einem Grund die Demokratie abzuschütteln und das Parlament lieferte ihr diesen, als zum Zwecke einer knappen Abstimmung alle drei Parlamentspräsidenten zurücktraten. Diesen Formfehler hatte nie jemand bedacht und so nutzte Kanzler Dollfuss (der Säulenheilige der heutigen ÖVP) die Chance jede Wiedereinberufung des Parlaments zu blockieren. Was folgte war der am 12.2.1934 ausgebrochene Februaraufstand/Bürgerkrieg, in dessen Folge die SDAP aufgelöst wurde. Und wieder einmal versuchte Renner sich mit einem Regime gut zu stellen, nach der Monarchie und der Obrigkeit seiner Partei nun eben mit dem "Ständestaat", doch Renners Avancen wurden abgelehnt.

1938 gehörte Renner neben Kardinal Theodor Innitzer schließlich zu den prominentesten Befürwortern des "Anschluss". Der "Pragmatiker" Renner versuchte damit wohl einmal mehr das beste aus einer Situation zu machen und sich selbst sowie seine eigene Familie vor braunen Übergriffen zu schützen. Tatsächlich durfte Renner bis Kriegsende relativ unbehelligt in seinem Haus in Gloggnitz leben, während andere Parteigranden inhaftiert wurden oder ihr Heil in der Emigration suchten. 1945 tauchte der über 70jährige Renner wie aus der Versenkung auf und überzeugte die im Osten Österreichs anrückenden Sowjets ihn mit der Bildung einer neuen Regierung zu beauftragen. Renner spielte wohl bewusst den senilen alten Herrn, mit dem Stalin leicht seine Ziele erreichen würde. Doch Renner gelang es den österreichischen Staat wiederaufzubauen und dabei die kommunistischen Einflüsse zurückzudrängen, auch wenn die KPÖ mit in der Regierung sitzen durfte. Nach den ersten freien Wahlen der Zweiten Republik wurde Renner von der Bundesversammlung zum ersten Bundespräsidenten gewählt. Als solcher wagte es Renner einmal mehr von einem Europa ohne Grenzen zu träumen, das ihn wohl an die von ihm in Ehren gehaltene Habsburgermonarchie erinnert hätte.

Mit dem System statt gegen das System

In The Old Republic und den Prequels trifft man auf einen Jedi-Orden der längst zu so etwas wie einem verlängerten Arm der Regierung geworden ist. Die Jedi der Prequels sind fast so etwas wie Staatsdiener und immerhin führen sie auch die Armeen der Republik an, wobei der Jedi-Rat anfangs noch bemächtigt ist als eine Art Generalsstab zu agieren. Erst später zieht der oberste Kanzler diese Vollmachten an sich und überträgt einige der Ermächtigungen des Jedi-Ordens von ihm errichteten Behörden. Die Dekadenz der späten Jedi ist vergleichbar mit Revolutionären die selbst zu Säulen der Gesellschaft geworden sind. Manchmal kramen sie noch ihre Andenken hervor und lassen sich für diese oder jene Errungenschaft feiern, aber sie längst zum Teil eines Systems geworden, wie sie es früher bekämpft hätten.

In The Old Republic ist die Lage des Jedi-Ordens noch etwas prekärer. Man ist auf gewisse Weise vom Schutz und Segen des Senats abhängig, der Tython verteidigen müsste. Die Jedi sind keine NGO (Nicht-Regierungsorganisation), sondern fast so etwas wie ein geförderter Verein unter Regierungsaufsicht. Zwar sitzt im Jedi-Rat kein Regierungsmitglied und man besitzt einige Autonomie, aber die GroßmeisterInnen müssen auf ein funktionierendes Arbeitsverhältnis zu den Mächtigen in der Republik achten. Die Jedi sind eine Mischung aus Kirche, Hilfsorganisation und paramilitärischen Wehrverband. Der Jedi-Orden einer Satele Shan ist noch lange nicht so eng mit der Republik verwachsen wie jener Yodas, mitunter weil die Alte Republik noch ein eigenes Heer unterhielt.

Die Nähe der Jedi zum Staat macht sie jedenfalls zu so etwas wie Sklaven der Republik. Gerade langlebige Spezies und von ihrer Organisation durchdrungene Meister wissen, dass sie mit der Politik ihrer Regierung nicht immer zufrieden sein werden. Doch Kanzler kommen und gehen, während die Republik bleibt. Genauso sah es auch Karl Renner. Man kann es dem Jedi-Rat wohl kaum übel nehmen, dass er irgendwann zur Überzeugung gelangt ist, man könnte Krisen auch bequem aussitzen. Wenn man bedenkt, dass Yoda selbst einige Jahrhunderte auf dem Buckel hatte und selbst irdische Diktaturen manchmal kaum mehr als 10 Jahren währen dann müssen 8 Jahre mit Saresh ja fast wie ein Wimpernschlag für den Jedi-Orden gewirkt haben.

Die Jedi sehen sich als mildernden Einfluss und als solcher kämpfen sie selbst noch auf der Seite einer moralisch korrumpierten Republik, als diese allein in den Krieg ziehen zu lassen. Die Sorge der Meister ist verständlich, wenn man bedenkt wie sich Massen radikalisieren lassen. Solange die Jedi Kriegsverbrechen im Weg stehen besteht eine Chance die Republik nicht mit an Blut an den Händen dastehen zu lassen. Überließe man die Republik sich selbst wären schnell Gestalten wie Tarkin an der Macht und diese hätten wie Dr. Godera keine Skrupel auch Massenvernichtungswaffen in den Dienst der Republik zu stellen.

Als Stützen des Systems ringen die Jedi der Republik auch immer wieder Friedensmissionen und vergleichbares ab, man kann viel effizienter darauf drängen Frieden zu schließen, wenn man etwa als Offiziere entsandte Jedi-Ritter zum Streik aufrufen kann. Order 66 machte wohl Sinn, wenn man bedenkt wie loyal manche Klone gegenüber ihren Jedi-Generälen wurden. Man könnte zum Vergleich auf das Ende des Ersten Weltkriegs verweisen, das auch von "Kriegsmüdigkeit" in Form von Streiks und Meutereien begleitet wurde. Würde man nicht bereitwillig für die Republik in den Krieg ziehen hätte man diese Möglichkeit zum außerparlamentarischen Widerstand erst garnicht.

Die Jedi nach Zakuul

Wie die ehemalige Großmeisterin in Kapitel XII selbst zugab haben sich die Jedi scharenweise gegen die Invasion gestemmt, doch sie starben und ihre Tode bewirkten gar nichts. Man wurde einfach überrollt. Nach dem Friedensschluss bedeutet dies jedoch, dass die meisten Ritter und Meister wohl tot wären. Wie aus einem Brief Kira Carsens hervorgeht war der Orden nach der Invasion völlig führungslos und dezimiert. Ohne einen organisatorischen Überbau blieb der Jedi-Orden jedoch zahnlos. Man konnte Kanzlerin Saresh und ihrem Nachfolger Madon nichts mehr entgegensetzen. Wie zuletzt vor 300 Jahren ließ sich jedoch annehmen, dass die Jedi nach ihrer Krise wieder aus dem Unterholz gekrochen kämen und ihren Orden neu aufbauen würden. Nur bisher haben sie es eben noch nicht getan.

Sollte der Kommandant der Allianz ein Jedi sein, so wäre das auch nichts neues. Doch die Parallelen zu Revan und Exar Kun würden Gerüchte schüren der ehemalige Kriegsheld könnte den gleichen Weg wie diese gegangen sein und nun zum Sith-Lord mutiert sein. Auch Exar Kun kommandierte Mandalorianer, abtrünnige Jedi, seltsame Machtnutzer und die Herrscher des Kaiserin-Teta-Systems während seines Kriegs mit der Republik, bei der er sogar bis nach Coruscant vorstieß. Auch Kuns Fähigkeiten gelten als legendär und er soll den gesamten Senat mit Hilfe der Macht in einem Stasis-Feld gefangen gehalten haben, um Ulic Qel-Droma von der Anklagebank zu befreien. Auf Coruscant erschlug Kun auch den legendären Jedi-Meister Vodo-Siosk Baas, den man wohl am ehesten mit Yoda vergleichen könnte.

Wichtiger als der Vergleich mit Kun wäre jedoch der mit Revan. Auch Revan war ein anerkannter Kriegsheld, der viele Veteranen an sich band und nach einigen Jahren mit einer Armada aus den Unbekannten Regionen zurückkehrte. Der Kommandant ist nun Revan (weshalb ich SWTOR seit 4.0 und 5.0 wirklich liebe, denn nun lebt man KotOR 0, KotOR III und sogar KotOR IV) und er hat erreicht was Revan immer schon wollte, nämlich den Imperator zu töten. Man kommandiert nun wie Revan vor KotOR I sein eigenes Pseudo-Imperium und darf sich nun ganz auf den Spuren seines Idols fühlen. Der von Deserteuren, ranghohen Sith und Kriminellen umgebene Kommandant muss jedem gesetzestreuen Bürger der Republik ja regelrecht wie der Herr des Bösen erscheinen. Solangte man irgendwo am Rande der Galaxis gegen einen Tyrannen kämpfte regte man ja vielleicht noch romantische Assoziationen an, doch nun wo man sich dem Rest der Galaxis zuwendet wird der heldenhafte Freiheitskämpfer zum undurchsichtigen Kriegsherrn.

Kommentieren



walks by night, Dienstag, 25. Oktober 2016, 13:52
Seit den EU-Romanen um die Yuuzhan Vong ist bei mir die Frage aufgekommen, wie sich denn ein Jedi Orden sich in das Machtgefüge (nicht "Force"^^) der Galaxis einfügen könnte, ohne sich einerseits zu sehr in bestehende Strukturen integrieren (und dadurch ggf korrumpiert oder benutzt zu werden) und nicht andererseits als einsiedlerischer Mönchsorden zu enden.


Leider bin ich bei dem Thema bisher zu keinem richtigen Ergebnis gekommen.

Ich musste die Bücher erst zweimal lesen um Jacen nicht als völlig verzogenes Jüngelchen abzutun, der sich zu fein für die Lehren der vor ihm kommenden ist.
Ehrlich gestanden hab ich gerade in den Büchern, in denen er den Jedi Orden, seinen Platz in der Macht und alles drumherum infrage gestellt hat, mich selbst erkannt. Nicht alles als gegeben hinzunehmen und nicht alles so zu machen "wie es schon immer" getan wurde.
Und gerade diese Passagen haben mich dazu gebracht, mich zu fragen, wie man es besser machen könnte.

Wie gesagt, leider ohne befriedigendes Ergebnis.

pfannenstiel, Dienstag, 25. Oktober 2016, 15:04
Persönlich bevorzuge ich ja den Orden vor Exar Kun, als man die größte Enklave auf Ossus unterhielt und sich nicht ganz so zentralistisch verwalten ließ. Das war in meinen Augen das Goldene Zeitalter des Jedi-Ordens. Der Orden entsandte Meister als Jedi-Wächter in verschiedene Systeme und die Jedi waren überall zugleich, ohne sich vom Senat an der kurzen Leine halten zu lassen.

walks by night, Dienstag, 25. Oktober 2016, 15:17
So könnte und kann ich mir das auch vorstellen.
Nur fehlt mir da irgendwie die...Legitimation?
Ich meine, rumzulaufen und sagen "ich habe die Macht" und den Leuten zu erzählen "ich hab recht, ich hab die Macht" fühlt sich für mich irgendwie falsch an.
Daher mein Dilemma. Nicht Teil der politischen Strukturen zu sein, aber trotzdem das Recht haben sich einzumischen...
Und möglichst nicht Teil eben jener politischen Strukturen zu sein, um unabhängig zu bleiben und weniger korrumpierbar (was politische Spielchen anbetrifft).

pfannenstiel, Dienstag, 25. Oktober 2016, 15:43
Die Jedi als eine Art Rotes Kreuz wären ja auch denkbar, eine derart angesehene Institution, dass man ihre Rolle und Existenz gar nicht mehr so hinterfragt.

Oder man sieht es föderal und hat in einem System kontemplative, in einem anderen wiederum mit dem Schwert für Recht und Ordnung kämpfende Ritter. Je nachdem welche Regierung den Jedi ihren Sonderstatus zugesteht.