Story vs. Spektakel
Größer, opulenter, mit mehr und besseren Special Effects - das kostet. Wenn Rekordsummen für Game und Hollywood-Filme ausgegeben werden, dann fließt das alles vorwiegend in die visuelle Aufmachung der diversen Filme. Und alles über einem 200 Millionen USD Budget wird dann schnell als wirtschaftlicher Erfolg gefeiert. Dabei lassen sich knapp über 200 Millionen Umsatz auch weit günstiger erreichen.

Spektakel-Produktionen können jedoch auf eine Jahrtausende alte Geschichte verweisen. Unter dem politischen Slogan antiker Zeiten firmierten sie als Brot und Spiele. Gladiatorenkämpfe, Tierhatzen, in gewaltigen Arenen nachgestellte historische Schlachten, alles mit sehr geringem Story-Anteil. Die Inszenierung solcher Spektakel erwies sich für die Mächtigen der damaligen Zeit auch immens wichtig, musste man doch seinen Amtsvorgänger nicht selten in der Prächtigkeit der ausgerichteten Spiele übertreffen und so wurde es auch als Merkmal für die Größe eines antiken Politikers gerechnet, wenn dieser etwas von entsprechender Größe veranstaltet hat.

Eine TV-Serie die durchaus auch gemischte Erfahrung mit derartiger Übertrumpfungssucht hatte war 24. Das Format hatte vieles an Kontroversen zu bieten, aber war mit seiner Erzählstruktur und wendungsreichen Story durchaus gut aufgstellt. Von Staffel zu Staffel übertraf man sich jedoch in der Größe der Bedrohung. War es anfangs noch ein Attentat auf einen Präsidentschaftskandidaten wurde in Staffel 2 bereits eine nukleare Bedrohung daraus, Staffel 3 führte sogar eine bilogische Massenvernichtungswaffe ein und Staffel 4 sah die Entführung und geplante Ermordung des US-Verteidungsministers, einen Hacker-Angriff auf die US-Atmokraftwerke und eine Kernschmelze in einem solchen, den Absturz der Air Force 1, die Entführung eines Stealth Bombers, die nahezu tödliche Verwundung des US-Präsidenten, den Diebstahl der US-Nuklearcodes, den Abschuss einer Rakete mit Nuklearsprengstoff auf eine US-Großstadt, die Amtsübernahme eines Vizepräsidenten und nicht zuletzt einen verdeckten US-Angriff auf das chinesische Konsulat. Overkill? Die Serie ging jedoch noch 4 Staffeln weiter und wurde erst jüngst für eine Miniserie noch einmal wiederbelebt. Die Art und Weise wie die Serie erzählt wurde änderte sich jedoch nicht und blieb weiterhin interessant und anspruchsvoll, auch wenn sich die Autoren schlussendlich nichts neues mehr einfallen ließen und wohl auf Formeln wie "1+ Maulwurf pro Staffel", "1+ korruptes Regierungsmitglied" oder "1+ bekehrungswiller Bürokrat" versteiften.

Woran 24 schlussendlich auf eine gewisse Weise doch scheiterte war die Lebensdauer der Serie. Sie war innovativ und spannend erzählt, die Story war immer wieder wendungsreich, doch zugleich setzte man fortwährend auf die gleichen Sujets wie homegrown terrorism, Folter und ein Bedrohungsszenario das der reinste Overkill ist. Nach 8 Staffeln wirkte das alles gar nicht mehr so neu und vieles erschien nur noch klischeehaft, auch weil das Spektakuläre immer mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde. Noch mehr Bomben, noch mehr Maulwürfe, noch mehr Terroristen und immer mehr Tote, auch solche die man nach einigen Folgen oder Staffeln als wichtigen Bestandteil der Show gesehen hätte.

Doch irgendwann steckt man auch in der Sackgasse. Ein noch größeres Spektakel wird einem nicht bloß verziehen, es führt zum Erfolg. Umgekehrt würde der Versuch doch wieder mehr auf die Story-Komponente zu setzen ins Uncanncy Valley führen. Uncanncy Valley ist ein Begriff den man vorwiegend aus der Animationsbranche kennt, wenn etwas irgendwo zwischen real und fiktiv schwankt, aber gerade so, dass es uns unheimlich und unpassend erscheint. Ein zumindest ähnlicher Effekt lässt sich imho auch in anderen Bereichen der Unterhaltungsindustrie beobachten. Eine jede Kursumkehr oder Kurskorrektur innerhalb eines Franchises führt zu einem befremdlichen Effekt, er uns zwar noch die vertraute Substanz erkennen lässt, aber zu Unwohlsein bezüglich der eingeschlagenen Richtung drängt. Aber dieser Effekt gilt auch für Neuschöpfungen, die im exakt falschen Maß Spekatkel und Story mischen, so dass man der Erzählung nicht die Mängel nachsieht und das Spekatkel als gemindert wahrnimmt. Die persönliche Toleranzschwelle für derartige Phänomene variiert natürlich. Da sich das ganze allerdings doch wieder empirisch nachweisen lässt, was heißt, dass es Grafiken dazu gibt, wie trotz eines linearen Misch-Verhältnisses die Empfindung plötzlich einen kurvenartigen Ausreißer nimmt, lässt sich auch annehmen, dass es variierende Prozentsätze innerhalb der Bevölkerung gibt denen das Phänomen gar nicht auffällt.

Schlussendlich ist man wegen des Uncanny Valleys gezwungen festzustellen, dass man entweder stärker auf das eine oder andere setzt, denn die goldene Mitte liegt im Tal des weitläufigen Nichtgefallens. Kompromisse sind damit auszuschließen.

Spektakel laufen sich tot und irgendwann ist man allein wegen fehlender technischer Möglichkeiten am Ende der Fahnenstange angelangt. Aber gilt dasselbe nicht auch für Story? Gehen einem nicht irgendwann die "spektakulären" Twists aus? Nur wenn man auf diese setzt. Der Vorteil an Story-lastigen Geschichten ist die Möglichkeit sie mit verhältnismäßig geringem Aufwand fortsetzen zu können. Allerdings kann jede neu eingeschlagene Richtung einem wieder Leser, Zuschauer oder Spieler wegtreiben. Sich neu zu erfinden vergrault außerdem oftmals gerade die loyalsten Fans, auch wenn die weiterhin ihre Eintrittskarten kaufen. Und das neu gewonnene Publikum ist oftmals keineswegs derart loyal.

Story-lastige Franchises können ewig weiterlaufen, weil es in ihnen nur noch rein darum geht eine geschaffene Welt auszubauen und die Helden und Schurken weiterzuentwickeln. Irgendwann könnte einem natürlich das gewohnte Flair und Feeling abhanden kommen und die Mehrheit der loyalen Fans bleibt einem nur noch wegen der Charaktere erhalten, die man ins Herz geschlossen hat.

Story kann jedoch weit öfter als Spekatkel dienen, weil sie mehr Möglichkeiten bietet. Der Tod von Captain America interessiert vielleicht auch jene, die dem Franchise nicht nahestehen. Große Ereignisse in einer Erzählung können zu Publikumsmagneten werden, vor allem können sie jedoch auch am Weg verlorenes Publikum wieder erreichen.

Entwicklungsbudgets lassen sich nicht beliebig aufstocken und Spieler- sowie Zuschauerzahlen sind meistens im Absturz inbegriffen. Medienwandel ist nur eines der Probleme mit denen man konfrontiert ist. Man verliert die Leute oft auch einfach so. Lückenfüller-Episoden sind den meisten Menschen verhasst und doch setzt praktisch jede Serie auf sie. Episoden die nichts zum größeren ganzen beitragen und wenn 2 aufeinander folgen schaltet manch einer berechtigterweise auch wieder ab und wartet darauf, dass etwas angekündigt wird und passiert, dass einen interessiert. So fallen die Lückenfüller in US-Serien mal auch bis zu 2 Millionen Zuschauer hinter den "wichtigen" Episoden zurück. Immer nur wichtige Episoden zu haben ist jedoch auch keine Lösung, die Leute gewöhnen sich ja auch dran und dann wird eine 10 Punkte Folge auch mal mit 6 oder 7 bewertet, weil man schon zu verwöhnt ist.

Reboots ohne "Datenverlust"

Um ein totes Franchise wiederzubeleben kann man nicht einfach weitermachen wie zuletzt, aber auch der vollständige Reboot ist oft keine so gute Idee. Stattdessen müsste man dort ansetzen wo zuletzt noch die Mehrheit des Publikums bei der Sache war und eine Überleitung finden, wie sich sowohl die bis zuletzt bei der Sache gebliebenen, als auch die Aussteiger zurückgewinnen lassen. Manches Franchise macht es einem da leichter, manches schwerer. In Star Wars Episode VII steht J.J. Abrams vor einer ziemlich einfachen Aufgabe, weil ihm alle Möglichkeiten gegeben wurden, ein größeres Publikum anzusprechen als George Lucas das mit den Prequels konnte. Episode VII spricht sowohl jene Leute an, die alle Filme gesehen haben, als auch nur jene die mit der Orginalen Trilogie vertraut sind, aber auch jene die vielleicht gar nur den ersten Star Wars-Film gesehen haben. Darth Vader und der Imperator sind tot, Luke Skywalker ist nun ein Jedi-Ritter, diese Botschaft kann man bereits aus Episode IV abgeleitet haben.

Auch das von mir geliebte C&C-Franchise ließe sich wiederbeleben, indem man einfach auf Bewährtes zurückgreift. Die Welt ist geteilt und Kane kehrt zurück. Das hatten wir ja bereits mehr oder weniger, aber es lässt die Fans seit 1995 zurückkehren und auch mal einen Teil überspringen. Egal was geschehen ist, eine in den Untergrund gedrängte Bruderschaft von Nod, Tiberiumfelder und eine mit der Aufforstung der Welt beschäftigte GDI lassen sich auch für Spieler erklären, die das Franchise nach dem ersten C&C verlassen haben. Auch C&C 4 Spieler ließen sich ja einbinden, indem irgendwo eine Erklärung geschaffen wird, wie sich das alles nun vereinbaren lässt.

Der Prequel-Fluch

Prequels leiden jedoch immer unter einem etwas geringeren Interesse. Empirische Studien, warum Prequels ein kleineres Publikum finden als Sequels könnten meine Theorie vielleicht belegen. Man will zwar wissen wie etwas kommen und geschehen konnte, aber man will seine Zeit nicht in die Aufarbeitung der Vergangenheit investieren. Viel lieber möchte man die Zukunft gestalten und will Entwicklung sehen. Ähnlich problematisch wäre ein Mass Effect-Prequel. Gerade aus diesem Bioware-Franchise ist man es gewohnt wirklich die Zukunft der persönlichen Story zu gestalten und ein Prequel würde schon einmal unter dem Eindruck leiden, dass man hier praktisch bereits weiß wie alles enden wird, nichts daran ändern kann und irgendwo im Hinterkopf denkt man vielleicht auch, dass man hier eine sinnlose Wiederholung aufnehmen muss.

Um ein Prequel interessant zu gestalten muss man zwangsläufig eine nicht geahnte Charakterentwicklung und gänzlich neue Charaktere schaffen. Etwas das Der Hobbit imho sehr gut auf den Weg gebracht hat. Das Herr der Ringe-Prequel dürfte zwar hinter dem Highscore des Originals zurückliegen, aber es nutzt schon einmal einen irgendwie ganz anderen Bilbo Beutlin. Der Film profitiert bereits sehr stark davon, dass notgedrungen ein anderer Bilbo-Darsteller gewählt werden musste und dieses Abenteuer des jungen Bilbo in Herr der Ringe nie in vollem Umfang aufgearbeitet wird. Dennoch liegen Prequels meistens hinter ihren Mutterschiffen zurück. Entsprechend wird das Prequel-Experiment oftmals auf nur einen Film oder ein Spiel reduziert.

Reboots ohne Story-Verlust

Der Trend heutzutage orientiert sich jedoch mehr an der Reboot-Idee. Anstatt ganz von vorne neu anzufangen wird bereits vorhandenes Material genutzt und eine Fortsetzung geschaffen, die sich sehr stark am Original orientiert, zugleich aber einen neuen Weg einschlägt. Ein Beispiel dafür ist vielleicht Fast and Furious. Das Franchise war praktisch schon einmal tot, bereits Teil 2 schlug einen Weg ein der zum Niedergang führte und Tokyo Drift hätte der Sargnagel sein können. Doch das Franchise erlebte eine Wiedergeburt. Man griff auf bekannte Charaktere aus Teil 1 zurück und knüpfte die Story praktisch auch wieder dort an, ignorierte größtenteils war zwischendrin geschehen war und startete neu durch, ohne die Story zwischen Teil und 4 zu verwerfen. Schließlich setzte das Franchise nach Fast and Furious 4 zu einem neuen Höhenflug an, der nicht für möglich gehalten wurde.

Vernachlässigbare Schandflecken

Die Arbeit in und an einem Franchise hat es oft an sich, dass zwischendrin auch mal jemand anders am Werk war, dessen Arbeit sowohl Fans als auch Verantwortliche vielleicht lieber getilgt sehen würden. Doch auch diese Schandflecken haben ihre Fans, die zum Teil sogar die Andersartigkeit eines Teils gegenüber dem Rest des Franchise als großen Vorzug loben und den Abweichler mehr ins Rampenlicht stellen als alles andere. Ich erinnere mich da sehr gerne an Knights of the Old Republic und dessen Fortsetzung The Sith Lords. Das Original war ein preisgekröntes RPG, das im Endeffekt wie eine Revolution wirkte. Ausschlaggebend war dafür vielleicht auch die Arbeit des damals noch unabhängigen Entwicklerstudios Bioware. Der Nachfolger wurde jedoch von Obsidian entwickelt. Diese bedienten sich zunächst einmal einer gänzlich anderen Engine, nutzen für das Spielprinzip jedoch fast die gesamte Batterie an Designentscheidungen Biowares. Als das Spiel jedoch wegen Veröffentlichungsdruck und Mismanagement grottenschlecht verstümmelt auf den Markt geworfen wurde war das niedrigere Rating verständlich. Viele ließen sich jedoch wie ich vom Franchise-Titel überzeugen und waren von den Eigenheiten der Fortsetzung keineswegs begeistert. Bis heute empfinde ich diese Fortsetzung als grässlich und wünsche mir Obsidian möge nie wieder etwas mit einer Star Wars-Lizenz zu tun haben. Andere frohlocken jedoch bereits der Erwähnung, dass Obsidian immer noch an KotOR III interessiert wäre. So sehr die TSL-Fans KotOR I vielleicht kritisieren, weil es sich zu sehr an den Filmen orientiert hat, was das Design betrifft, so wenig wirkt TSL hingegen nach Star Wars. Eine Sith die die Macht selbst vernichten will, ein stummes irgendwas ohne Körper, ein shirtloser Zombie-Sith Lord. Wer sich hinter dieses Spiel stellt sollte dann bitte nicht die Jedi Chroniken oder Dawn of the Jedi angreifen, weil das ganze nicht mehr wie Star Wars auf sie wirkt.

Und dann kam The Old Republic. Die als Knights of the Old Republic Online angelegte Fortsetzung des Franchises ist ein MMORPG und das würde in den meisten Fällen ja die Fortsetzung des Single Player RPGs nicht ausschließen, doch die Lizenz und das Franchise verhindern das in diesem Fall. The Old Republic musste sich nun der Aufgabe stellen, die Story aus dem Original wieder aufzugreifen, als auch die Erzählung der misratenen Fortsetzung einzubeziehen. Auch das ist nicht unbedingt dem Pragmatismus der Entwickler geschuldet, sondern der Lizenz und den mit dieser verbundenen Spielregeln, dass bereits etablierte Kontinuität nicht über den Haufen geworfen werden darf. So musste man mit einem Stiefkind fertig werden, dass einerseits deformiert war, andererseits jedoch große Bedeutung für das Franchise hätte haben können. Man durfte es jedoch nicht einfach wegsperren. Stattdessen band man es zumindest oberflächlich ein. Aus dem im Finale von TSL angekündigten geheimen Feind wurde das Sith-Imperium, in Hinsicht auf die Darstellung des Protagonisten aus Teil 1 orientierte man sich jedoch nicht an der unvollständigen TSL-Intepretation sondern den Ideen des Revan-Schöpfers Drew Karpyshyn, der allein für seine Mitarbeit an der KotOR I-Fortsetzung aus dem Mass Effect 2-Team Biowares ausstieg und von Kanada in die USA nach Austin, Texas zog.

Der Marvel-Faktor

Die Marvel-Comics und Filme nutzen ein nicht unähnliches Konzept wenn es um Großereignisse geht. Die Ausführung variierte über die Jahre jedoch erheblich.

Die Idee ist einfach, ein Film wie Avengers sollte auch für Zuschauer verständlich sein, die nicht schon alle Marvel-Filme der Phase I gesehen hatten. Die in Avengers thematisierte Alien-Invasion von New York ist ein Großereignis in Marvels Filmuniversum. In den Comics ist es oftmals jedoch keineswegs so einfach den Entwicklungen zu folgen, denn neben den 7 bis 8 Comic Heften über das Event werden auch allen laufenden Comicreihen Event-Sonderausgaben zuteil und nicht selten hat sich das Event erst recht aus einer der Heftreihen entsponnen, weshalb man nicht so ganz einfach einsteigen kann. Aber es geht auch einfacher, wenn das Event sehr selbstbezogen ist. Da wird dann in den Event-Comics abgehandelt was geschehen ist und was passiert, während in den einzelnen Heftreihen nur für 1-2 Ausgaben eventspezifische Ereignisse erfolgen. Das ist imho die leserfreundlichere Variante, doch die Comicbranche steckt seit langem in der Krise und da wird Profitgier oftmals zur Notwendigkeit. Je mehr sich vom Event in die Comicserien auslagern lässt, desto mehr kann man die Leser dazu drängen, auch diese zu kaufen bzw. sich als Wolverine-Fan etwa über das Event auch andere Comics zu kaufen.

Das Problem mit Comics und Superheldenfranchises ist jedoch immer wieder das Spektakel. Filme wie Avengers und die jährlichen Events müssen groß und efffekthascherisch sein, doch schlussendlich nutzen sie sich rasant ab. Ihre Halbwertszeit ist gering.

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