Sonntag, 22. Dezember 2019
Die Bedeutung von Fallen Order
Überlebende von Order 66 spielten schon in den Legends eine wichtige Rolle, doch ausgerechnet ihre Widersacher fanden kaum den Weg ins Rampenlicht. Die Imperialen Inquisitoren der Legends blieben fast ein Mythos, der vor allem in Rollenspielszenarien und damit verbundenen Kurzgeschichten Bestand hatte. In Videospielen oder Comics kamen sie bestenfalls durch Cameos vor (wobei ich mich nicht für Star Wars Galaxies verbürgen kann), etwas das sich dank Fallen Order im neuen Kanon grundsätzlich geändert hat. In den Legends kamen die Inquisitoren trotz ihrer bedeutenden Rolle gerade einmal in den fast obskur zu bezeichnenden Romanen der Coruscant Nights-Reihe und den Last of the Jedi-Jugendbüchern aus der Feder Jude Watsons vor. Generell kümmerte man sich aber kaum ihre Lore. Dementsprechend fand ich es überraschend, als man Star Wars Rebels sogar mit dem Auftritt mehrerer Inquisitoren beglückte und diese von Beginn an fest in der Lore des neuen Kanons verankerte. Wieso dieser Sinneswechsel gegenüber der Lucas-Ära? George Lucas war kein großer Fan von Graubereichen, weshalb es auch an ihm lag, das dunkle Jedi oder alternative Gruppierungen von Machtnutzern bestenfalls Randerscheinungen blieben. Lucas Veto-Macht dürfte auch dafür gesorgt haben, dass man notgedrungen neue Sith-Lords und neue Sith-Orden für die Post-Endor-Ära des Expanded Universe kreieren musste. Das widersprach zwar irgendwie der Prophezeiung des Auserwählten, aber Sith oder Jedi, mehr durfte es ab nach Episode I nicht mehr geben. Darum gab es in den Legends dank den wilden 90er-Jahren aber auch einige andere Machtnutzergruppierungen wie die Hexen von Dathomir, die es sogar bis in den Kanon geschafft haben und das dann sogar mit Lucas Segen.

Neben Charles Soules Darth Vader-Comics und Star Wars Rebels, hat Jedi: Fallen Order meiner Meinung nach einiges dafür getan die Inquisitoren zu einem Phänomen zu machen, das auch einigen der weniger lore-affinen Fans nun ein Begriff sein könnte. Genauso wie Dathomir, dunkle Jedi oder die Tatsache, dass nicht alle in den Filmen unbekannte Jedi durch Order 66 ausgelöscht wurden. Fallen Order ist für das Franchise und die Lore immens wichtig, weil das Spiel ein größeres Publikum als den Kern des Fandoms erreicht hat und dementsprechend auch die einst obskuren Konzepte der Legends-Lore in den Mainstream befördert hat. Darüber kann man auch als Legends-Anhänger froh sein, denn hin und wieder fragt sich ja doch jemand wo diese Ideen her kommen oder ob es da noch andere Quellen zu finden gibt.

Nach The Clone Wars, einem Darth Maul-Comic, einem Asajj Ventress-Roman, SOLO und einer Rebels-Folge steht es auch nicht so schlecht um Dathomirs Zukunft als fester Bestandteil des Franchise. Ich erinnere mich noch an Zeiten als Dathomir lediglich in einem einzigen Roman existierte und dann für Jahre aus dem Fokus des EU verschwunden blieb. Man hat als Star Wars-Fan wohl einiges dem Star Wars-Fan und Produzenten/Regisseur Dave Filoni zu verdanken, der Dathomir und die Mandalorianer aus der Obskurität der Legends zunächst durch The Clone Wars in den Mainstream befördert hat und nun mit The Mandalorian die Chance besitzt Mando-Cosplayern zahllose neue Kostümideen zu bescheren. Nach dem Tod von Asajj Ventress sah es so aus, als wären die Hexen von Dathomir endgültig ausgelöscht, zumal auch Mutter Talzin durch die Sith (in einem Kampf mit Maul gegen Dooku und Darth Sidious wurde sie durch Grievous schließlich hinterrücks ermordet) vernichtet wurde. Doch mit Schwester Merrin lebt zumindest eine Hexe weiterhin fort und Merrins Talente scheinen außerordentlich zu sein, da sie ja sogar Fallen Order überlebt. Das Schicksal der Nachtschwestern ist völlig offen und unterstützt von zwei Ex-Jedi könnte sich ein eventuelles Fallen Order 2 auch mit dem Aufbau eines Hexen-Ordens beschäftigen. Die Dathomir-Connection ist jedoch auch eine mögliche Verbindung zu Maul und dessen Geschichte zwischen den Klonkriegen und SOLO bzw. Rebels. 2020 sollte die finale The Clone Wars-Staffel anlaufen, welche Mauls Niederlage auf Mandalore darstellen wird. Ab diesem Zeitpunkt kann es sehr interessant werden, da sich dann sein weiterer Weg von Mandalore nach Dathomir und schließlich von Dathomir nach Malachor nachzeichnen ließe, ohne das Ende von TCW zu "spoilern" (Maul taucht in SOLO und Rebels auf, aber hey, das zu erwähnen muss ja schon ein Spoiler sein). Zumindest lässt sich argumentieren, dass Mauls Popularität nach der finalen TCW-Staffel wieder hoch genug sein dürfte, um die Aufmerksamkeit der Maul-Fans auf andere Auftritte ihres Lieblings-Ex-Sith-Lords zu lenken. Vielleicht in Fallen Order 2, da Maul ja auch ein Ziel der Inquisitoren war und sicher auch ein gewisses Interesse an Schwester Merrin oder den verbliebenen Nachtbrüdern auf Dathomir gehabt haben sollte. Cal Kestis vs. Maul? Dank TCW wäre dieses Szenario möglich. Mandalorianer und die kriminelle Unterwelt sind zudem etwas, das einem in Fallen Order 1 gefehlt haben könnte.

Dathomirs Rolle in der Lore, die Suchlisten der Inquisitoren und Cals psychometrische Fähigkeiten erinnern mich aber auch daran, dass laut Charles Soules Vader-Comics Jedi-Meister QUINLAN VOS ebenfalls noch unter den Lebenden weilen dürfte. Vos war ein bekannter Charakter aus den Star Wars-Comics der Legends-Ära, vor allem dank Autor John Ostrander und Zeichnerin Jan Duursema, welche seine Karriere von einem Jedi-Padawan bis zu einem Jedi-Meister und Überlebenden der Order 66 erzählten. Vos hatte sogar einen Episode I-Cameo und seine Padawan wurde schließlich in Episode II auf die große Leinwand gebracht - Aayla Secura ist dank TCW nun sicher keine ganz unbekannte mehr. Aaylas Meister kam in TCW deutlich kürzer als sie selbst und er hätte seinen großen Moment erst in den späten Staffeln der Serie gehabt, welche wegen des Verkaufs an Disney nicht mehr produziert wurden. Stattdessen wurde Vos kanonische Geschichte in Buchform vorgelegt und sie erinnert an seine Karriere in den Legends. Quinlan Vos war in den Legends zwar deutlich düsterer, aber im Kanon macht ihn sein Klonkriegstrauma und vor allem der Verlust seiner geliebten Asajj Ventress zu einem nicht weniger gefährlichen Charakter. Vos hatte gegen Ende der Klonkriege den Auftrag ein Attentat auf Count Dooku auszuführen, doch er scheiterte und wurde dessen Handlanger. Vos Doppelspiel mit Dooku, seinen Jedi-Vorgesetzten und Asajj Ventress führte schließlich zu einem weiteren gescheiterten Mordversuch, diesmal an Darth Sidious, der sich allerdings nicht blicken ließ. Dafür starb Asajj Ventress in Quinlans Armen. Ventress hatte Vos im Gebrauch der dunklen Seite unterwiesen, Dooku hatte ihm gezeigt welche Macht er sich jedoch wirklich erwarten konnte, wenn er sich der dunklen Seite voll hingab. Am Ende brach Vos Welt zusammen, doch wohin ist er nach Order 66 verschwunden? Ich hätte mir angesichts seiner Rolle als Jedi-Meister und seines psychometrischen Talents durchaus erwartet, dass er auf Cal Kestis stoßen könnte oder umgekehrt. Ich wundere mich sogar, dass Quinlan Vos nicht als eine Art Mentor des jungen Cal eingeführt wurde, denn er hätte ihn ja im Gebrauch seines besonderen Macht-Talents unterweisen können. In den Legends lebte Vos nach Order 66 glücklich mit seiner jungen Familie in einem Versteck auf Kashyyyk und tauchte dann in einem einzelnen Comic wieder auf, um Han Solo das Leben zu retten.

Dass mit der Vader-Serie nach 25 Ausgaben (und dem Bau seines Schlosses auf Mustafar) Schluss war ist schade, aber ich hoffe, dass es in absehbarer Zeit auch eine Inquisitoren-Comicreihe geben könnte. Nach Episode III steuerte man beim damaligen Lizenzinhaber Dark Horse von den Republic-Comics (welche sich mit der gesamten Prequel-Ära bis in die Klonkriege hinein) zu den Dark Times-Comics weiter und erzählte in diesen die Geschichte einiger Order 66-Veteranen fort, wie Jedi-Ritter Dass Jennir oder Jedi-Meister K'krohl (der sogar bis in die Star Wars Legacy-Comics überleben durfte). Dass man nichts über Vos und dessen Meister Tholme oder die ebenfalls bis Star Wars Legacy überlebende Meisterin T'ra Saa erzählte war damals für mich eine vergebene Chance, aber die Schöpfer von Vos & Co hatten sich da eben Star Wars Legacy und später Dawn of the Jedi zugewandt, wobei scheinbar niemand neue Geschichten mit ihren Charakteren erzählen wollte.

Fallen Order hat bereits einen Prequel-Comic erhalten und es wird womöglich auch ein Sequel-Game geben, das vielleicht ebenfalls Begleitliteratur zu bieten haben wird. Trotzdem muss ich anmerken, dass man in der Vergangenheit doch etwas mehr für seine Videospiel-Veröffentlichungen getan hat. Vielleicht lag es 2019 am sehr nahen Release von Episode IX, das man nicht mehr Raum für Fallen Order schaffen konnte, aber zu The Force Unleashed gab es für jeden Teil einen eigenen Begleitroman, ebenso wie für Shadows of the Empire. Weniger mit Ruhm bekleckert hat man sich allerdings mit Knights of the Old Republic, das damals überhaupt keine Begleitliteratur spendiert bekam. Aber um auf den neuen Kanon zurück zu kommen, sogar BATTLEFRONT bekam für jeden Teil der Reihe einen eigenen mehr oder weniger mit der Story verbundenen Roman spendiert und ich finde beide Werke unabhängig von ihrem Entstehungsgrund sehr gut gelungen.

Es wird sich wohl noch zeigen, ob Fallen Order die Popularität eines The Force Unleashed erreichen kann, zumal dieses Legends-Werk ja vor allem mit Action und weniger mit seiner Lore punkten konnte (tatsächlich schuf TFU damals einige Widersprüche innerhalb der Lore). Ich finde es zumindest gut, dass man beim Aufbau des neuen Expanded Universe neuerdings Rücksicht auf die Lore nimmt und das trotz Spielmechaniken welche die Gefahr schaffen könnten, dass ein dahergelaufener Machtnutzer einfach so Darth Vader auseinander nehmen könnte. Ob Starkiller, Jaden Korr oder Kyle Katarn, sie alle hielten sich in den Legends nicht mit ihren Machtfähigkeiten zurück und schufen einiges an Erklärungsbedarf, sodass immer wieder erklärt wurden musste, dass ihre Ingame-Fähigkeiten nur den Spielmechaniken geschuldet sein sollen.

Fallen Order stimmt mich hoffnungsvoll für die Zukunft des Franchise, vor allem jetzt, da man nicht mehr gezwungen ist jährlich auf einen Film Rücksicht zu nehmen und somit die verfügbaren Publikationskapazitäten für andere Star Wars-Projekte nutzen kann. Mag sein, dass das daran liegt, dass ich Star Wars nicht mit einem Mainstream-Publikum teilen will, aber man sieht ja welche kuriosen Blüten die politisierten Debatten um die Sequel-Trilogie haben können. Nicht jeder Hater und nicht jeder Fan ist auch tatsächlich im Star Wars-Franchise zu Hause, sondern es wird gerne auch mal einfach auf das größtmögliche aktuelle Ziel geschossen. Episode IX gibt Star Wars wieder ein Stück mehr in die Hände des Fandoms, das von nun an wieder für das (kulturelle und finanzielle) Überleben des Franchise verantwortlich sein wird, so wie nach Episode VI oder vor allem nach Episode III.

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